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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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quer über seinem Schoß lag, mit seinem Kimono das Blut zu stillen. Sein Landsmann ging zu ihm hin, half ihm auf und säuberte das Schwert am Kimono des nächstbesten Reisenden, einer alten Frau, die vor Angst zitterte, den Kopf aber nicht vom Boden hob.
    Beide Männer waren jung und von kräftiger Statur. Sie lächelten einander zu; dann untersuchten sie gemeinsam die Wunde. Die Kugel war glatt durch den Muskel des Oberarms gegangen. Kein Knochen verletzt. Shorin, der ältere, sagte: »Die Wunde ist sauber, Ori.«
    »Wir hätten sie alle töten sollen.«
    »Karma.«
    Inzwischen zog die Gruppe der Samurai mitsamt den acht verängstigten Sänftenträgern vorüber, doch alle taten, als gäbe es weder die beiden Samurai noch den zerstückelten Leichnam.
    Die beiden jungen Männer verneigten sich in tiefer Ehrfurcht. Das winzige Seitenfenster der Sänfte wurde ganz kurz geöffnet und dann sofort wieder zugeschoben.

2
    »Hier, Mr. Struan, trinken Sie das«, sagte der Arzt, der vor dem Feldbett stand. Sie befanden sich im Operationsraum der britischen Gesandtschaft in Kanagawa, und es war ihm inzwischen gelungen, die Blutungen weitgehend zum Stillstand zu bringen. Tyrer saß am Fenster auf einem Stuhl. Die beiden waren vor einer halben Stunde eingetroffen. »Danach wird es Ihnen besser gehen.«
    »Was ist das?«
    »Ein Zaubertrank – hauptsächlich Laudanum, meine ganz persönliche Tinktur aus Opium und Morphin. Er wird Ihre Schmerzen stillen. Ich muß Sie leider ein bißchen zusammenflicken, doch keine Sorge, ich werde Sie mit Äther einschläfern.«
    Eine Woge von Angst stieg in Struan auf. Äther war in der Chirurgie erst kürzlich eingeführt und hoch gelobt worden, befand sich aber immer noch im Versuchsstadium. »Ich habe… Ich bin noch nie operiert worden, und ich glaube… ich glaube nicht…«
    »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. In den richtigen Händen sind Narkotika absolut ungefährlich.« Dr. George Babcott war achtundzwanzig, über eins neunzig groß und entsprechend proportioniert. »Ich habe Äther und Chloroform in den letzten fünf bis sechs Jahren häufig benutzt, und zwar mit ausgezeichneten Ergebnissen. Glauben Sie mir, Sie werden nichts spüren, und für den Patienten ist die Narkose ein Gottesgeschenk.«
    »Er hat recht, Mr. Struan«, bestätigte Tyrer, der zu helfen versuchte, obwohl ihm klar war, daß es vergeblich sein würde. Sein Arm war bereits mit Jod bepinselt, genäht und verbunden worden und hing in einer Schlinge, und er dankte dem Schicksal, daß seine Wunde relativ oberflächlich war. »An der Universität hatte ich einen Kommilitonen, der mir erzählte, man habe ihm den Blinddarm mit Chloroform herausgenommen, und er habe überhaupt nichts gespürt.« Doch der Gedanke an eine Operation – und den Wundbrand, der nur allzuoft darauf folgte – ängstigte auch ihn.
    »Vergessen Sie nicht, Mr. Struan«, sagte Babcott, »es ist fast fünfzehn Jahre her, daß Dr. Simpson anfing, bei Operationen Chloroform zu verwenden. Seitdem haben wir eine Menge gelernt. Ich habe an der Royal Infrantry ein Jahr lang bei ihm studiert, bevor ich auf die Krim geschickt wurde.« Seine Miene verdunkelte sich. »Auch da habe ich eine Menge gelernt. Nun, der Krimkrieg ist vorüber, also keine Sorge, und wenn Sie Glück haben, wird Ihnen das freundliche Laudanum sogar ein paar erotische Träume schenken.«
    »Und wenn ich keins habe?«
    »Sie haben Glück. Sie haben beide sehr großes Glück gehabt.«
    Trotz seiner Schmerzen zwang Struan sich zu einem gequälten Lächeln. »Wir haben Glück, daß wir Sie hier gefunden haben, soviel steht fest.« Instinktiv auf Babcott vertrauend, trank er die farblose Flüssigkeit und sank, vor Schmerzen fast besinnungslos, wieder zurück.
    »Nun werden wir Mr. Struan ein bißchen Ruhe gönnen«, schlug Babcott vor. »Sie sollten mitkommen, Mr. Tyrer, wir haben einiges zu tun.«
    »Selbstverständlich, Doktor. Struan, kann ich Ihnen etwas bringen, irgend etwas für Sie tun?«
    »Nein… Nein, danke. Sie brauchen nicht auf mich zu warten.«
    »Unsinn! Selbstverständlich warte ich.« Nervös folgte Tyrer dem Arzt hinaus und schloß die Tür. »Wird er es überstehen?«
    »Ich weiß es nicht. Zum Glück sind Samuraiklingen immer sehr sauber und schneiden so scharf wie ein Skalpell. Entschuldigen Sie mich eine Minute. Da ich heute nachmittag der einzige Beamte hier bin, sollte ich mich nun, nachdem ich alles getan habe, was medizinisch möglich ist, wie ein Repräsentant

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