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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Struans Blut war, beruhigte er sich sofort wieder. »Wir gehen weiter.«
    »Was… haben Sie gesagt?«
    »Wir reiten nach Kanagawa – das ist nicht weit, und der Weg ist frei. Ich kann mehrere Tempel sehen, einer davon muß unserer sein. Da müßte eine Fahne wehen.« Nach japanischem Brauch waren die Gesandtschaften in Gebäudeteilen von buddhistischen Tempeln untergebracht. Denn da nur Tempel oder Klöster über Räume in entsprechender Größe und Zahl verfügten, hatten die Bakufu einige davon beschlagnahmen lassen, bis die jeweiligen Residenzen fertiggestellt waren.
    »Können Sie sich noch halten, Mr. Struan? Ich werde das Pferd führen.«
    »Ja.« Er sah zu seinem eigenen Reittier hinüber, das jämmerlich wieherte und, obwohl es das Bein nicht bewegen konnte, immer wieder zu laufen versuchte. Aus der tiefen Schwertwunde floß Blut. Zitternd stand es da. »Erlösen Sie es von seinen Qualen, dann gehen wir weiter.«
    Tyrer hatte noch nie ein Pferd erschossen. Er wischte sich den Schweiß von den Händen. Die Derringer war ein doppelläufiger Hinterlader mit zwei neumodischen Bronzepatronen, die Kugel, Pulver und Zünder enthielten. Das Pferd wollte vor ihm zurückweichen, kam aber nicht weit. Sekundenlang streichelte er ihm beruhigend den Kopf, dann setzte er ihm die Derringer ans Ohr und drückte ab. Daß der Tod so plötzlich eintrat, überraschte ihn ebenso wie der Krach, den die Pistole machte. Er steckte sie in die Tasche zurück.
    Immer noch wie in Trance wischte er sich abermals die Hände trocken. »Wir sollten uns von der Straße fernhalten, Mr. Struan. Hier draußen ist es sicherer.«
    Bei den vielen Gräben und Bächen, die sie durchqueren mußten, brauchten sie sehr viel länger als anfangs erwartet. Zweimal hätte Struan fast das Bewußtsein verloren, und Tyrer gelang es gerade noch, ihn vor einem weiteren Sturz zu bewahren. Die Bauern auf den Reisfeldern taten entweder, als sähen sie nichts, oder starrten sie unhöflich an, um dann an ihre Arbeit zurückzukehren. Tyrer verfluchte sie und stapfte weiter.
    Der erste Tempel war leer, bis auf ein paar verängstigte, kahlköpfige Buddhistenmönche in orangefarbenen Gewändern, die sofort, als sie ihrer ansichtig wurden, davonhuschten und sich in die inneren Gemächer zurückzogen. Im Vorhof gab es einen kleinen Brunnen. Dankbar trank Tyrer das kühle Wasser, dann füllte er den Becher noch einmal und brachte ihn Struan, der zwar trank, vor Schmerzen aber kaum etwas zu sehen vermochte.
    »Danke. Wie… Wie weit ist es noch?«
    »Nicht mehr weit«, antwortete Tyrer, obwohl er den Weg nicht kannte, doch er versuchte tapfer zu sein. »Wir müßten jeden Augenblick dort sein.«
    Hier gabelte sich der Weg; der eine Pfad führte zur Küste und zu einem weiteren Tempel, hoch über den Häusern des Dorfes, der andere tiefer in die Ortschaft hinein und zu einem dritten Tempel. Aus keinem besonderen Grund entschied er sich für den Weg zur Küste.
    Der Pfad verlief nach Osten, und obwohl in diesem Gewirr von Gäßchen nirgends ein Mensch zu sehen war, schienen sie überall von Augen beobachtet zu werden. Dann sah er das Haupttor des Tempels und den Union Jack und die Soldaten in der scharlachroten Uniform und hätte vor Erleichterung und Stolz beinah geweint, denn kaum hatte man sie gesehen, da eilte ein Soldat ihnen schon zu Hilfe, ein anderer lief den Sergeant der Wache holen, und im Handumdrehen stand der riesige Dr. Babcott vor ihnen.
    »Allmächtiger, was zum Teufel ist passiert?«
    Es fiel nicht schwer, alles zu erzählen – es gab kaum etwas zu erzählen.
    »Haben Sie schon einmal bei einer Operation assistiert?«
    »Nein, Doktor.«
    Babcott lächelte; mit geschickten Händen entkleidete er den halb bewußtlosen Malcolm Struan so flink, als sei dieser ein Kind. »Nun, das wird sich gleich ändern, eine nützliche Erfahrung für Sie. Ich brauche Hilfe und bin heute hier ganz allein. Zum Abendessen werden Sie wieder in Yokohama sein.«
    »Ich w… will’s versuchen.«
    »Ihnen wird vermutlich schlecht werden – das kommt vor allem von dem Geruch, aber keine Sorge. Wenn Sie sich erbrechen müssen, dann bitte in die Schüssel da und nicht auf den Patienten.« Wieder warf ihm Babcott einen Blick zu, taxierte ihn, fragte sich, wie verläßlich dieser junge Mann sein mochte, erkannte sein mühsam unterdrücktes Entsetzen und kehrte an seine Arbeit zurück.
    »Wir werden ihm jetzt Äther geben, und dann geht’s los. Sie waren in Peking, sagten Sie?«
    »Ja,

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