Noch ein Kuss
deswegen, wusste Mike, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er ließ den Blick durch das weitläufige Haus wandern, das genauso viel Liebe und Aufmerksamkeit brauchte wie dieser niedliche neue Mitbewohner. Für beides hatte Mike nun genug Zeit. Reisen und Gefahren reizten ihn nicht mehr. Er war schon lange vor dem Einsatz, bei dem er verwundet worden war, unzufrieden gewesen. Er hatte nur nicht geahnt, dass ihn die Sehnsucht nach festen Wurzeln umtrieb. Wer hätte das gedacht?
Carly jedenfalls nicht. Sie schien nach wie vor leicht verwirrt zu sein, so als ob Glück und Geborgenheit unmöglich Hand in Hand gehen könnten. Als ob sie jeden Moment damit rechnete, dass sich alles wieder in Luft auflöste.
Mike füllte frisches Wasser in den Hundenapf und stellte ihn wieder auf den Boden. Er wusste, woher diese Angst rührte. Die Zeit … und seine Überraschung würden sie davon überzeugen, dass ihre Verbindung von Dauer sein würde.
Die Türklingel riss ihn aus seinen Überlegungen, und er war dankbar für die Unterbrechung. Der Hund reagierte nicht, aber er musste ja auch noch lernen, dass dieses Läuten Besuch ankündigte. Mike eilte zur Haustür, doch aus den Augenwinkeln sah er noch, dass der Hund zwar auf das Papier zusteuerte, aber dennoch auf den Boden machte. Stöhnend drehte er am Türknauf, während er sich fragte, wer diesen Kampf am Ende wohl gewinnen würde, er oder der Hund.
»Hi.«
»Carly.«
Sie lächelte und auf ihren Wangen lag ein Schimmer, den er nicht mehr gesehen hatte, seit … also, eigentlich noch nie. Noch ein Fortschritt, dachte er.
»Komm rein«, sagte Mike.
Carly folgte ihm durch einen kurzen Flur, hatte aber kaum zwei Schritte ins Wohnzimmer gemacht, als Mike im Kommandoton »Stehenbleiben!« rief. Carly gehorchte erschrocken, und als sie zu Boden sah, war sie dankbar, dass er sie gewarnt hatte. Sie schaute ihn an und prustete los, dann ging sie um das Häufchen und die Zeitung herum – aber nicht um den Hund. Wie denn auch, wenn der Kleine darauf bestand, an ihrem Bein zu schnüffeln?
Carly kniete sich hin und schenkte dem Welpen die ersehnte Aufmerksamkeit. »Der ist ja süß«, sagte sie und schaute zu Mike auf. »Fast so süß wie du.«
Der Vergleich ließ Mike die Stirn runzeln. Auch wenn sein Bart schon seit Wochen verschwunden war, verrieten Haltung und Kleidung immer noch den Rebellen in ihm. Nach wie vor trug er am liebsten verschlissene Jeans, die seine schmalen Hüften und die kräftigen Oberschenkel gut zur Geltung brachten, sowie ein schwarzes T-Shirt, das seinen Bizeps betonte.
Und Carly liebte diesen Mann nach wie vor wahnsinnig und würde ihn in ein paar Wochen heiraten – bei einer kleinen Feier im engsten Familienkreis.
Als sie es endlich schaffte, die Augen von ihrem Zukünftigen loszureißen, machte sie eine weit ausholende Geste und fragte: »Okay, was ist los? Was machen wir hier?«
Mike atmete tief aus. »Das ist … unser Zuhause.« Dann nahm er Carly bei der Hand und führte sie nach draußen, einen kleinen Pfad entlang zur Grenze des Grundstücks. Dort tätschelte er einen verwitterten Pfosten. »Und das ist dein weißer Lattenzaun.«
Carlys Mundwinkel begannen zu zucken. »Und das da mein Hund?«
Mike grinste. »Dies ist der amerikanische Traum, meine Liebe. Ein Haus, ein Hund, ein weißer Lattenzaun … «
»Und was ist mit den zweieinhalb Kindern pro Paar?«, fragte Carly mit leuchtenden Augen.
Mike beugte sich vor und gab ihr einen kurzen, aber durchaus passablen Kuss. »Ich hatte gehofft, es wäre schon eins unterwegs«, erwiderte er mit einer Stimme, die er selbst kaum wiedererkannte.
»Falls nicht, könnten wir ja gleich daran arbeiten.«
Carlys glockenhelles Lachen freute ihn. Für ihn war es ein sehr vielversprechender Klang, der Klang ihrer Zukunft. Er legte eine Hand auf ihren flachen Bauch und spreizte die Finger. Carly bedeckte seine Hand mit ihrer, und als der Hund sie ans Bein stupste, lachte sie wieder. Mike nahm sich fest vor, bei diesem Klang alt zu werden.
»Ein gute Idee, und vielleicht wäre damit ja schon mal für das erste Kind gesorgt … Aber ich habe noch einen anderen Vorschlag.« Sie führte etwas im Schilde, so viel war klar.
»Und ich habe gedacht, ich wäre heute derjenige mit den Überraschungen.«
Carly hielt ihm einige Papiere unter die Nase. »Ich habe mich etwas umgehört und herausgefunden, dass es eine Adoptionsagentur gibt, die Waisenkinder aus Kriegsgebieten vermittelt. Ich weiß, dass
Weitere Kostenlose Bücher