Noch ein Kuss
mitgekommen war. Sie drehte sich wieder zu Mike um. »Ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte sie leise.
»Ich wollte eher zurückkommen.«
»Du hast getan, was du tun musstest. Ich habe Verständnis dafür.« Carly befingerte ihre Ponyfransen. Der Wunsch, ihre Gefühle einzugestehen, war sehr stark, doch Mikes geschwächter Zustand hielt sie davon ab. Ebenso wie die Tatsache, dass sie keine Ahnung hatte, ob er diese Gefühle erwiderte.
Ja, er war wieder da, aber für wie lange?, fragte sie sich. Und selbst wenn er bliebe, wie sollte ihre Zukunft aussehen? Was hatte sie ihm zu geben – und er ihr?
»Kann ich noch etwas für dich tun?«, fragte Carly stattdessen.
Mike schüttelte den Kopf.
»Da ich nun weiß, dass du okay bist, sollte ich vielleicht Peter hereinholen.« Carly stand auf und ließ vorsichtig seine Hand los. Doch ehe sie auch nur einen Schritt machen konnte, packte Mike sie mit einem für einen Frischoperierten erstaunlich festen Griff am Handgelenk.
»Warte.«
Carly schluckte schwer und versuchte, sich ihre Panik nicht anmerken zu lassen. Tief ein- und ausatmen, befahl sie sich stumm. Als ihr schwindlig wurde, wusste sie, dass es nicht funktionierte.
»Ich werde nicht mehr weglaufen«, sagte Mike mit einer Stimme, die noch rau war von der Narkose, aber auch vom Ansturm seiner Gefühle.
»Na klar, jetzt liegst du erstmal flach«, scherzte Carly lockerer, als sie sich fühlte.
»Du kannst dich nicht länger hinter flapsigen Sprüchen verstecken. Wir müssen reden.«
»Und du musst schlafen.«
Mike schloss die Augen. Offenbar stimmte das. Er war merklich erschöpft und musste sich zu jedem Wort geradezu zwingen.
»Du hast recht«, gab er schließlich zu.
»So wie immer.« Carly lächelte.
»Stör ich?« Peter hatte den Kopf durch die Tür gesteckt.
Mike ließ sich in die dicken Krankenhauskissen sinken und stöhnte. »Komm rein«, rief Carly an seiner Stelle und wandte sich Peter zu. »Ich wollte gerade gehen.« Dann drückte sie Mike die Hand und verschwand, ohne ihm noch einen Blick zu gönnen.
Ein paar Tage später lehnte Mike wieder an dem ungemütlichen Kissenberg und wartete, bis Carly den Platz an seinem Bett für Peter geräumt hatte und durch die Tür geschlüpft war. Hinter seinem Bruder kam eine Krankenschwester ins Zimmer. »Hallo, Pete.«
Sein Bruder grinste. »Du siehst besser aus. Ich muss zugeben, dass du mich zu Tode erschreckt hast.«
»Ich hatte mir unter Urlaub auch etwas anderes vorgestellt, als im Flughafen aus den Latschen zu kippen.« Mike wartete, bis die Schwester ihre Aufgaben erledigt und Temperatur und Blutdruck gemessen hatte.
»Alles in Ordnung, Mr. Novack.« Sie trug die Ergebnisse in sein Krankenblatt ein und entfernte sich wieder.
»Wenn ich gewusst hätte, wie toll die Schwestern hier aussehen, hätte ich mich auch krank gestellt«, sagte Pete, während er der attraktiven Blondine nachsah.
»Du bist wirklich einzigartig, Brüderchen.« Mike schob sich in seinem Bett etwas höher und ignorierte den Schmerz genauso wie die Schmerzmittel, zu denen die Schwester ihn hatte überreden wollen. Er bevorzugte es, einen klaren Kopf zu haben.
»Ja, das bin ich, nicht wahr?« Pete lachte in sich hinein. »Wann lassen sie dich denn hier wieder raus?«
»Besser heute als morgen«, grummelte Mike.
»Warum so eilig?« Erwartungsvoll sah sein Bruder sich nach der geschlossenen Zimmertür um, doch die üppige, blonde Schwester ließ sich trotz seines stummen Stoßgebets nicht mehr blicken.
Mike lachte und biss dann vor lauter Schmerzen in der Seite die Zähne zusammen. »Vom Krankenbett aus kann ich mein Leben nicht in den Griff bekommen.«
Gestern hatte Carly ihn zweimal besucht und heute schon einmal. Jedes Mal war sie etwas länger geblieben, aber sofort gegangen, wenn er sie etwas Persönliches fragte.
»Spielt sie wieder die Unnahbare?«, fragte Pete.
»Man muss sie nur etwas aus der Reserve locken«, erwiderte Mike extra vage. Er hatte nicht die Absicht, seine Beziehung zu Carly – oder eher die nicht vorhandene Beziehung – mit Pete zu diskutieren.
Nachdenklich ging sein Bruder in dem kleinen Zimmer auf und ab. »Glaub mir, sie ist die Mühe wert«, sagte er endlich.
»Hast du es dir etwa anders überlegt?«
»Um Himmels willen, nein.« Pete lachte. »Carly gehört zu dir. Wir würden miteinander nicht glücklich werden«, fügte er hinzu.
Überrascht zog Mike seine Brauen hoch. »Seit wann legst du Wert darauf, glücklich zu werden?«, fragte er
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