Noch ein Kuss
der Stirn. Eigentlich mochte sie es viel lieber, wenn Männer sanft und berechenbar waren. Doch dieser hier war alles andere als das.
»Also, welchen würden Sie sich aussuchen?«, fragte der Fremde und ließ den Blick einen Wimpernschlag zu lange auf ihr ruhen, bevor er ihn auf den Schmuck im Schaufenster richtete.
, schoss es ihr ungewollt durch den Kopf. »Den da«, krächzte Carly rau und deutete mit nicht allzu ruhiger Hand auf die schlichteren Ringe.
»Hübsch«, murmelte der Mann anerkennend. »Damit wäre dann ja wohl geklärt, welche Art von Frau Sie sind, wenn Sie einen einfachen Goldreif den glitzernden Steinen vorziehen, oder?« Er lachte laut.
Carly gefiel der sonore Klang, obwohl sie dabei ein Schauer überlief. Sie schaute zum blauen Himmel auf. Ein einzelnes Wölkchen hatte sich vor die Sonne geschoben, aber sie war absolut sicher, dass dieser Mann und nicht eine vorübergehende Laune der Natur für ihr Schaudern und ihr plötzliches Unbehagen verantwortlich war.
»Die Art von Frau, die normalerweise vernünftig genug ist, nicht an einer Straßenecke in Manhattan zu stehen und sich mit einem völligen Fremden zu unterhalten«, erwiderte Carly. »Entschuldigen Sie mich.« Sie drehte sich auf dem Absatz um, um in das Geschäft zu gehen, wo sie sich hinter Zahlen verschanzen konnte.
»Carly, nun warte doch.«
Wie angewurzelt blieb Carly stehen und drehte sich dann ganz langsam wieder zu der schmeichelnden Stimme um. »Wer sind Sie?«, fragte sie misstrauisch.
»Mike Novack, Peters Bruder.« Der Mann hielt ihr seine braun gebrannte Hand hin.
Stumm verfluchte Carly ihren Verlobten für seinen Mangel an Sentimentalität. Auf dem einzigen Foto, das sie von Mike gesehen hatte, war er noch ein kleiner Junge gewesen. An ein neueres Bild von dem gut aussehenden Mann, der ihr gegenüberstand, hätte sie sich bestimmt erinnert.
»Peters Bruder.« Obwohl sie automatisch ihre Hand ausstreckte, war sie sehr bestürzt und böse auf sich. Mit einem Fremden zu flirten, während man dabei war, sich einen Ehering auszusuchen, war schon schlimm genug, doch ausgerechnet mit Peters unstetem Bruder zu schäkern, zeugte von einem deutlichen Mangel an Anstand. Ein Benehmen, das sie eher ihrem Vater zugetraut hätte als sich.
»Ja, es gibt mich noch.«
Als Mike ihr kräftig die Hand schüttelte, geriet Carly endgültig aus dem Gleichgewicht. In seinem festen Griff wurden ihre Finger ganz warm.
Dann wanderte diese Wärme den Arm hinauf zu ihren Brüsten und breitete sich schließlich im Magen aus. Sie musste ihre gesamte Willenskraft aufbieten, um diese unbekannten und erschreckenden Empfindungen zu ignorieren.
Rasch befreite sie ihre Hand aus Mikes Umklammerung und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Schaufenster. Ohne die Sonnenstrahlen hatten die Ringe viel von ihrem Glanz und ihrer Anziehungskraft eingebüßt. In dem vergeblichen Bemühen, die Wärme bei sich zu behalten, schlang sie die Arme um ihre Brust.
»Carly?«
Die Besorgnis in Mikes tiefer Stimme ließ sie die Zähne zusammenbeißen. »Offenbar hast du ein Foto von mir gesehen.«
Mike schmunzelte. »Ja, das auf Peters Schreibtisch.«
»Ich wünschte, von dir könnte ich das Gleiche sagen.«
»Ich bin der Fotograf in der Familie, nicht Pete.«
»Das habe ich schon gehört. Bist du auch der Aufreißer in der Familie?«
Irritiert kniff Mike die Augen zusammen. »Ich weiß, dass ich eine Weile außer Landes gewesen bin, aber seit wann gilt eine lockere Unterhaltung schon als Anmache?«
Mit einem kräftigen Atemstoß blies Carly die Ponyfransen aus den Augen. »Okay, ich habe überreagiert.« Aber nur weil dieser Mann ihr Herz zum Rasen und ihre Hände zum Schwitzen brachte. Aus ihrer Sicht betrachtet hatte sie sich schwer zusammengerissen.
Am liebsten wäre sie weit weggelaufen und hätte sich nicht nur vor Mike, sondern auch vor sich selbst versteckt. »Wollen wir noch einmal von vorn anfangen?«, fragte sie und streckte die Hand aus. Nur um zu beweisen, dass sie den Körperkontakt aushielt, nicht, weil sie sich nach den Gefühlen sehnte, die sein warmer Handschlag bei ihr hervorrief.
»Gerne.« Mike nahm ihre Hand und ließ sie gleich wieder los. Nicht, weil er es nicht aushielt, ihre weiche Haut zu berühren, sondern weil ihr schon seine Anwesenheit unangenehm zu sein schien. Auch wenn er nicht wusste, warum.
»Wo ist Peter?«, wollte Carly wissen.
»Bei der Arbeit. Er war schon auf dem Weg zur Tür, aber in letzter Minute ist
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