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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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angerufen?“
    „Doch, natürlich“, sagte Mark. „Ich nehme an, sie ist mal kurz weggefahren. Wahrscheinlich höre ich schon bald wieder von ihr.“
     
    „Na fein, alles erledigt, du bist zurück, und alles ist in Butter, Charles“, sagte Roditis. „War es denn so schlimm?“
    Kravchenko bemühte sich, die sanfte, idiotische Wohlwollensmiene zur Schau zu stellen, die er für Charles Noyes’ üblichen Gesichtsausdruck hielt. Jetzt kam es nämlich darauf an, ob er hier im Hauptquartier von Roditis in Indiana als Dybbuk bestehen würde. Wenn er es bei dem Griechen nicht schaffen konnte, würde er sich noch vor Einbruch der Nacht auf dem Abfallhaufen wiederfinden.
    „Hm, John, ich will gar nicht abstreiten, daß ich bei der Sache ordentlichen Bammel hatte“, sagte Jim vorsichtig. „Aber es lief einfacher über die Bühne, als ich erwartet hätte.“
    „Dann werden wir jetzt deine Erinnerung löschen lassen und gegen ein paar verrückte andere eintauschen. Du bist dann vollkommen sicher.“
    „Ja, John.“
    „Willst du dich vorher noch etwas frischmachen, damit du das Gefühl hast, wieder wie ein Mensch auszusehen?“
    „Ich halte es für besser, wir bringen die Löschung erst hinter uns“, sagte Kravchenko. „In meinem Gedächtnis sitzen ein paar Angelegenheiten, die ich lieber so schnell wie möglich loswerde.“
    Roditis nickte. „Okay, dann komm mal mit.“
    Kravchenko folgte dem bulligen, kleinen Bankier durch die Gänge des Gebäudes. Die Vorstellung, sich einer Löschung auszusetzen, behagte ihm nicht sehr. Er haßte es, bewußtlos zu sein, haßte es, sich wehrlos einer Maschine anzuvertrauen. Aber solange er noch die Erinnerung an die Ermordung Martin St. Johns in sich trug, befand er sich ständig in Gefahr. Noyes, der er ja immer noch zu sein vorgab, konnte durchaus schon unter Mordverdacht stehen. Wenn man ihn faßte, seinen Geist untersuchte und den Beweis für die Tat fand, wäre nicht nur für Noyes alles aus – sein Bewußtsein würde wegen seiner Tat ausgemerzt werden –, sondern auch für Kravchenko. Denn der ersten Untersuchung würde wegen der gefundenen Beweise eine zweite, gründlichere folgen, die an den Tag brächte, wer in Wahrheit Noyes’ Körper kontrollierte. Kravchenko glaubte als Dybbuk nicht entdeckt zu werden, wenn die Untersuchung sich nur auf die Beweissuche für den Mordfall beschränkte. Aber ihm würde nichts mehr helfen können, wenn auch die umliegenden Erinnerungen sondiert würden. Seine einzige Hoffnung bestand darin, die ganze letzte Nacht löschen zu lassen und alles, was damit zu tun hatte. Genau das beabsichtigte Roditis jetzt zu tun.
    Techniker machten die Löschgeräte bereit.
    Kravchenko studierte sie unruhig. Eine Löschung verlief so ähnlich wie die Transplantation eines Fremdbewußtseins – nur entgegengesetzt. Anstatt aufgezeichnete Informationen in ein empfangsbereites Gehirn zu leiten, merzte man Informationen aus. Anstatt mnemonische Drogen einzugeben, um das Gedächtnis vor dem Verfall zu bewahren, durchspülten sie einem das Bewußtsein mit einem selektiven Erinnerungsunterdrücker, der so vorsichtig dosiert wurde, daß nur eine bestimmte Zeitspanne in der Erinnerung gelöscht wurde. Kravchenko mißtraute diesen Manipulationen am Gehirn und sah ihre Notwendigkeit trotzdem ein.
    „Wollen Sie sich bitte hier hinlegen?“ sagte ein Techniker.
    Kravchenko wartete auf der Liege. Man verabreichte ihm einige Injektionen. Man streifte ihm Elektrodenbänder über den Kopf. Man machte ein EEG, um seine Gehirnwellen zu messen. Schnell und ohne zu sprechen führten die Techniker ihre Handgriffe aus. Roditis blieb immer noch zögernd an der hinteren Wand stehen und brütete vor sich hin.
    „Achtung, bereit“, sagte jemand.
    Ein Helm senkte sich über Kravchenkos Kopf.
    „Mach dir nicht die geringsten Sorgen, Charles“, ertönte Roditis’ vertrauenserweckende Stimme. „In Nullkommanichts ist alles gelöscht.“
    „Los“, sagte ein Techniker.
    Kravchenko verkrampfte und stellte sich vor, wie Schalter gekippt und Kontakte geschlossen wurden. Er konnte nichts sehen. Sein gedoptes Bewußtsein vernebelte sich. Ganz plötzlich hörte er etwas explodieren. Im gleichen Moment schoß ein unerträglich heller Blitz durch sein Gehirn. Kravchenko dachte, sein Schädel sei geplatzt.
    Um ihn herum stieg das Chaos hoch.
    Eine brodelnde Flut trug ihn davon – hinab, immer weiter hinab und noch weiter hinab – er hatte längst die Kontrolle verloren – war nur

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