Noch einmal leben
noch hilflos – und mit dem letzten Gedanken, den er noch bewußt dachte, fragte er sich, ob Gedächtnislöschungen doch nicht so etwas Alltägliches waren, wie es immer hieß. Dann versank er endgültig in der Dunkelheit.
Jetzt oder nie, dachte Elena. Jim lag im Keller und bekam sein Gedächtnis gelöscht. Danach mußte er noch einige Stunden ruhen. Jetzt war die Zeit günstig, Roditis in ihre Sammlung aufzunehmen.
Elena hatte es nicht für opportun gehalten, Jim zu erzählen, daß sie ihn nach Evansville begleitet hatte, um John Roditis zu verführen. Kravchenko, der ja gerade durch ihre Ränke zu einem eigenen Körper gekommen war, würde sicher kein Verständnis dafür haben, daß er nicht der einzige Mann für Elena sein sollte. Sicher, sie liebte Jim mit aller Leidenschaft, aber sie begehrte auch Roditis. Vor zwei Stunden hatte die Italienerin bei ihrer und Jims Ankunft den Griechen zum ersten Mal gesehen. Sie hatten jedoch kaum mehr als zehn Worte miteinander gewechselt. Und Roditis schien sie nicht einmal richtig bemerkt zu haben. Er hatte offensichtlich nur an die Beseitigung von Martin St. Johns Körper gedacht. Das war nur natürlich. Aber er war ihr durchaus aufgefallen. Dieser durchtrainierte, kräftige Körper versprach im höchsten Maße körperliche Wonnen. Die Kraft dieses Mannes war wirklich unübersehbar. Für Elena, die starke Männer durchaus zu schätzen gelernt hatte, stellte Roditis die ideale Mischung aus ungezügelter Kraft und intuitiver Intelligenz dar. Im Moment war sie Santoliquidos, Mark Kaufmanns und all der anderen überdrüssig geworden. Kravchenko versprach vergnügliche Abenteuer, jetzt, wo er wieder einen Körper besaß. Aber er war oberflächlich, ein Herumtreiber, ein Playboy. Neue Abenteuer winkten Elena – mit John Roditis.
„Ich war immer neugierig auf Sie“, sagte sie zu Roditis. „Eigentlich merkwürdig, daß sich früher nie die Gelegenheit ergab, einander kennenzulernen.“
„Ich bewege mich eben selten in Ihren vornehmen Kreisen.“ Roditis schien sich gar nicht auf sie einstellen zu wollen.
„Das müssen Sie aber unbedingt, wissen Sie. Wir sind doch keine Menschenfresser. Ein Mann von Ihrer Energie und Ihrem Unternehmungsgeist – Sie würden unsere Kreise mit neuer Vitalität bereichern.“ Unauffällig kam sie ihm immer näher. Elena bedauerte, daß sie für diesen Zweck nicht vorteilhafter angezogen war. Sie war in alltäglicher Reisegarderobe nach Evansville geflogen, und bisher hatte sich noch keine Gelegenheit ergeben, etwas Aufregenderes, etwas Verführerischeres anzuziehen. In dieser tristen Aufmachung fühlte sie sich wie in einem Panzer eingeschlossen. Dennoch sah Elena dieses Handicap nicht als hinderlich an.
„Mir paßt Snobismus nicht, Miß Volterra“, sagte Roditis. „Sicher, ich bin ein reicher Mann, aber kein Playboy. Meine Wertvorstellungen decken sich nicht mit denen Ihrer Schicht. Ich habe immer viel zu tun, und das täglich.“
„Sie sollten sich auch den Vergnügungen widmen, die Sie sich auf Grund Ihrer Arbeit erlauben können“, gurrte sie. Elena stand jetzt direkt neben ihm am Schreibtisch und betrachtete die Schallskulptur. „Wie wunderbar!“ entfuhr es ihr. Als sie sich nach vorne beugte, um das Kunstwerk sanft zu berühren, drückte sich der weiche Hügel ihrer Brust gegen Roditis’ Ellenbogen. Diese Geste war kaum noch als subtil zu bezeichnen, aber in Elenas Augen war der Grieche alles andere als ein feinsinniger Mensch.
Er bewegte sich unauffällig beiseite und unterbrach so den körperlichen Kontakt.
Elena nagte an der Unterlippe. Sie warf ihm einen koketten Blick zu und befragte ihn nach der Skulptur. Sie erfuhr, daß sie eine seiner Fremdidentitäten geschaffen hatte. Sie lobte das Kunstwerk über den Klee und nahm eine solch sinnliche Haltung ein, daß sie fast wie eine Selbstparodie wirkte. Aber Roditis ließ sich durch nichts verlocken. Was mochte bloß mit dem Kerl los sein? fragte sie sich.
Ihr nächster Annäherungsversuch war noch direkter: sie schmeichelte ihm, erklärte ihm, wie froh sie darüber sei, ihn endlich doch noch kennengelernt zu haben; sie rückte ihm auf den Pelz und füllte seine Ohren mit bewundernden Worten. Elena hätte ihre Gelüste nicht deutlicher zeigen können, wenn sie sich nackt und mit gespreizten Beinen auf den Teppich gelegt hätte. Aber der Grieche wurde mit jeder ihrer Annäherungen noch abweisender.
Es war ein frustrierender Augenblick. Elena begriff, daß sie
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