Noch einmal leben
Ganze sah verdammt nach einem Handel zwischen den beiden aus.
- Laß Elena unverzüglich überwachen, riet Paul. Deine Leute in Evansville sollen aktiv werden. Sie sollen sie ergreifen und hierher bringen, damit man sie befragen kann, bevor sie noch mehr Unheil anrichtet.
„Bin schon unterwegs“, sagte Mark.
Es dauerte einige Minuten, bevor die Überwachung der beiden in die Wege geleitet war. Sobald sie Roditis verließen, würden sie überwacht und unauffällig verfolgt werden. Im geeigneten Augenblick würde man sich dann ihrer bemächtigen. Elena hatte noch nie zuvor einen offenen Verrat begangen, aber Mark wußte, wozu sie fähig war. Vor seinem geistigen Auge sah er eine Verschwörung, an der Noyes, Roditis, Elena und vielleicht auch Santoliquido beteiligt waren, und die es sich zum Ziel gesetzt hatte, Pauls Bewußtsein sobald wie möglich aus dem Körper des unglücklichen St. John zu befreien, um ihn ebenso rasch John Roditis auf zweiten Antrag hin einzupflanzen.
Das Telefon klingelte.
Er schaltete die Anlage ein. Es war Risa. Überraschenderweise rief sie nicht aus Europa, sondern vom New Yorker Flughafen an.
„Ich dachte, du wolltest erst nächste Woche nach Hause kommen“, erklärte er ihr.
„Frauen steht das Privileg zu, ihre Meinung zu ändern. Es ist mir einfach zu langweilig geworden. Zudem habe ich dich vermißt. Draußen wartet schon ein Gleiter, ich eile nach Hause.“
„Sehr schön, Risa.“
Sie sah ihn merkwürdig an. „Mark? Stimmt etwas nicht?“
„Wieso?“
„Du siehst so angespannt aus. Du hast einen eigenartigen Gesichtsausdruck.“
„Es war ein harter Tag, mein Liebes. Ich kann dir das jetzt nicht mit ein paar Worten erklären.“
Der Schirm wurde dunkel. Mark freute sich über Risas Rückkehr. In einer solchen Krisenzeit, wo unerwartete Ereignisse gleich reihenweise eintraten, war es gut, sie an seiner Seite zu wissen. Ein Mann mußte sich in solchen Augenblicken auf seine Familie stützen können: Paul ihn ihm … und Risa bei Ihm …
Er lächelte. Damit hatte er sich stillschweigend eingestanden, daß Risa die Grenze von der Jugendlichen zur Erwachsenen in den vergangenen Wochen überschritten hatte. Ein Kind rechnete niemand zu seinem Verbündeten. Risa hatte wahre Kraft und Reife gezeigt: zuerst hatte sie die Erlaubnis für eine Transplantation erzwungen, dann bei ihrer Detektivsarbeit den Mörder von Tandy Cushing gefunden. Er wollte es ab jetzt tunlichst vermeiden, noch einmal den Fehler zu begehen, sie als minderjährig anzusehen. Risa war eine Frau, eine Kaufmann, er wollte sie bei sich haben.
Sie erreichte seine Wohnung noch schneller, als er erwartet hatte. Ihr europäisches Abenteuer schien sie besonnener und reifer gemacht zu haben. Oder lag das an der Anwesenheit des Fremdbewußtseins in ihrem Kopf? Risa war äußerlich immer noch das gleiche schlanke Mädchen mit der knabenhaften Figur, das kürzlich so plötzlich nach Stockholm geflogen war. Aber der Ausdruck ihrer Züge hatte sich verändert, vor allem ihre Lippenpartie. Ihre Augen strahlten mit neuem Feuer.
Onkel Paul war überrascht.
- Das soll Risa sein? fragte er, als sie eintrat. Deine kleine Tochter? Mark, wie lange war ich eigentlich im Seelendepot?
„Du hast sie seit über einem Jahr nicht mehr gesehen“, erklärte er seinem Onkel leise. „Für sie war es ein sehr entscheidendes Jahr.“
- Sie sieht wirklich beeindruckend aus. Sie hat die richtige Haltung und Einstellung. Es gibt keinen Zweifel, daß man hier eine Kaufmann vor sich hat, nicht wahr?
Anmutig, fast geschmeidig bewegte sich Risa auf eine Art, die sie nur von Tandy gelernt haben konnte. Sie kam durch das Zimmer auf ihren Vater zu, umarmte ihn und fuhr mit ihren Lippen sanft über seine. Dann trat sie einen Schritt zurück und musterte ihn scharf.
„Du hast dich ziemlich verändert“, sagte sie.
„Das gleiche wollte ich gerade von dir sagen.“
„Ich weiß, daß ich mich verändert habe, Mark. Schließlich ist Tandy jetzt bei mir. Aber du – du bist auch so anders geworden.“
„Wie meinst du das?“
„Ich kann es schlecht erklären“, sagte sie. „Deine Augen, deine ganze Art, wie du stehst und dich bewegst …“
„Ich habe dir doch gesagt, Risa, ich hatte einen harten Tag. Jetzt bin ich müde.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, was ich sehe, ist keine Erschöpfung. Erschöpfung nimmt einem was. Aber du siehst so aus, als hättest du etwas dazubekommen. Du hältst dich gerader. Du könntest fast Onkel
Weitere Kostenlose Bücher