Noch einmal leben
und tauchte in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel ins Wasser ein. Als er wieder hochkam, schwamm er zum Riff hinaus. Risa war noch immer beunruhigt. Sie näherte sich der kleinen Gruppe der Neuankömmlinge, die mitten in der Bucht auf dem weißen Sand stand, von der Seite. Sie begrüßte Elena nur kurz, gab aber Santoliquido die Hand. David Loeb schenkte sie ein Lächeln. Er war ein großer und liebenswürdiger Mann von vielleicht fünfundvierzig Jahren, mit dem sie über unzählige Ecken verwandt war. Gloria, seine schlanke, langbeinige blonde Frau, umarmte sie. Risa hatte die beiden nie sehr gut gekannt. Gloria wirkte verkrampft und irgendwie gereizt. Aber sie wandte sich routiniert zur Seite und sagte: „Risa, ich glaube, du kennst meinen Bruder noch nicht. Charles Noyes – Risa Kaufmann, Marks Tochter.“
„Es ist mir ein Vergnügen“, sagte Noyes, aber es klang ganz und gar nicht so. Seine großen blauen Augen blickten in alle Richtungen, so als wollte er den direkten Blick auf ihre nackte Gestalt unbedingt vermeiden. Schließlich schaffte er es mit sichtlicher Anstrengung, sie anzulächeln.
„Ich habe von Gloria schon viel von Ihnen gehört“, log Risa liebenswürdig. „Es muß sehr aufregend sein, mit Mr. Roditis zusammenzuarbeiten. Sagen Sie, kommt er auch zu unserer Party?“
„Nein, er – ähem – kann leider nicht kommen“, sagte Noyes.
„Wie schade, ich hätte ihn gerne kennengelernt. Wollen Sie mich jetzt bitte entschuldigen?“ Risa lächelte hinterhältig und lief über den heißen Sand davon, dann quer über den Rasen ins Hauptgebäude, wo die Dienstboten gerade mit dem kalten Büfett beschäftigt waren. Sie suchte ihren Vater, den sie erwartungsgemäß in seinem Bambus-verkleideten Arbeitszimmer am Telefon fand. Risa konnte das Gesicht auf dem Bildschirm nicht erkennen. Nach einigen Sekunden hing er ein und wandte sich ihr zu.
„Weißt du, wer hier ist?“ fragte sie.
Anhand seiner säuerlichen, bedeckten Miene erkannte sie, daß er es wußte. „Ja, Glorias kleines Überraschungspaket. Ich hätte von ihr mehr Geschmack erwartet!“
„Warum hast du ihn überhaupt hereingelassen?“
„Er ist mit ihr gekommen. Ich kann ihn nicht abweisen, auch wenn er Roditis’ rechte Hand ist. Es ist leider nicht verboten, den eigenen Bruder zu so einer Party mitzubringen.“
„Aber was will er hier? Für Roditis herumspionieren? Uns für ihn weichklopfen?“
Kaufmann lehnte sich bequem zurück und lachte. „Warum regst du dich so darüber auf, Risa? Das ist allein mein Problem. Geh wieder raus in die Sonne und mach dir einen schönen Tag.“
„Ich bin eine Kaufmann, und daher ist es auch mein Problem. Wir haben einige Familientraditionen aufrechtzuerhalten!“
„Sie werden aufrechterhalten bleiben, mein Liebes. Ich kümmere mich schon um Mr. Noyes.“
Damit war sie entlassen. Mark betrachtete sie noch immer nicht als eine Erwachsene. Er tätschelte ihr den Kopf und erzählte ihr dabei, sie solle rausgehen und spielen. Risas Nasenlöcher bebten, aber sie ließ sich ihren Ärger nicht anmerken und verließ rasch das Haus. Nur knapp konnte sie dabei einem Automaten ausweichen, der gerade den Lichthof polierte.
Risa stemmte die Fäuste in die Hüften, stellte sich an den Rand des Lichthofs und sah zu den Gästen hinunter. Rod war wieder aus dem Wasser herausgekommen und unterhielt sich mit Noyes und den Loebs. Santoliquido und Elena standen – seltsam genug – abgesondert von den anderen bei der Felsgruppe, wo Risa erfolglos versucht hatte, ihren Cousin zu verführen. Über ihnen zogen drei große, braune Pelikane ihre Bahn, falteten die Flügel zusammen und stießen ins Wasser hinab, um einen Fisch zu fangen. Risa wußte, daß man den Vögeln Drogen verabreicht hatte; damit blieben sie den ganzen Nachmittag über hungrig und würden den Gästen eine tolle Show liefern. Plötzlich wurde Risa zornig, wirbelte herum und rannte zu dem kleinen Anwesen, es gab davon dreißig hinter dem Hauptgebäude, wo sie während ihres hiesigen Aufenthalts untergebracht war. Sie warf sich aufs Bett und schluchzte trotzig.
Minuten später kündigte der Überwachungsschirm an der Tür einen Besucher an. Risa blickte auf und entdeckte dort Rods Gesicht.
„Komm rein“, rief sie.
Die Tür glitt auf. Er trat ein und stellte seine Füße auf das Vibratorkissen, das sie von den Sandkörnern befreite. „Ich hab mich wegen Noyes erkundigt“, sagte er. „Er ist nicht wegen Roditis hier. Er kam zufällig bei
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