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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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aber gleichzeitig kraftvolle Gestalt. Nur einmal stolperte er, als eine seiner Fremdidentitäten mitten im Lauf versuchte, die Kontrolle über den Körper zu gewinnen. Aber Owens schaffte es immerhin noch, in einem halbwegs eleganten Bogen ins Wasser zu springen. Den Kopf gesenkt, die Arme wie Windmühlenflügel kreisend, schoß er wie ein Torpedo auf das Riff hinaus.
    Noyes schloß die Augen. Die Sonne schien über seinem Kopf immer gewaltiger zu werden, ein riesiger, schmelzender Ball, von dem Rammen herabtropften. In seinem Kopf ließ Kravchenko sein höhnisches Gelächter vernehmen.
    - Sieh’s dir nochmal gut an, Charlie. Genau das werde ich nämlich eines Tages bei dir auch machen. Ich brauche keine sechs Kumpane, um dich zu verdrängen. Das schaffe ich auch alleine.
    Noyes wandte sich von den anderen ab. Um direkt mit Kravchenko sprechen zu können, mußte er laut reden. Er wollte nicht, daß die anderen seine „Selbstgespräche“ mitbekamen. Noyes murmelte: „So weit wirst du es nie bringen. In dem Moment, wo du damit anfängst, Schwierigkeiten zu machen, töte ich uns beide, Kravchenko.“
    - Oho, wieder die Drohung mit der Giftampulle. Wo hast du sie denn, Charlie, etwa in der Badehose?
    „Laß mich in Ruhe.“
    - Warum gehen wir nicht rüber zu Elena? Das ist vielleicht ein Prachtweib! Du willst mit ihr bumsen. Ich ziehe mich solange zurück und sehe zu. Ich kannte sie, als ich noch einen Körper besaß. Damals war sie noch nicht Kaufmanns Betthäschen. Elena und ich können uns noch gut aneinander erinnern. Laß mich die Kontrolle übernehmen, Charlie, ich leg sie flach für dich.
    „Halt die Klappe!“
    - Das wäre doch eine prima Arbeitsteilung. Ich besorge es Elena, und dein Körper hätte den ganzen Spaß daran.
    Noyes zitterte. Statt wie sonst zu drohen, versuchte Kravchenko es jetzt mit Verlockungen. Aber sein Ziel war dasselbe geblieben. Es konnte jederzeit dazu kommen, daß das Fremdbewußtsein die Kontrolle über den gemeinsamen Körper erlangte. Kravchenko konnte dann sogar Noyes löschen lassen und den Körper ganz für sich allein besitzen, als ein Dybbuk. Das wäre die wahre Wiedergeburt: den Gastkörper übernehmen, wieder einen eigenen Körper zu besitzen, wieder mit den eigenen Beinen zu laufen, neue Sinneseindrücke aufzunehmen und neue Erfahrungen zu machen. Noyes nahm sich fest vor, sich von Kravchenko nicht auf diese Weise überrumpeln zu lassen.
    Die Sonne verwandelte sich in eine Giftampulle.
    Einfach hinaufgreifen, dachte Noyes. Sie packen und reinbeißen. Dem Kerl mal zeigen, was eine Harke ist.
    Der Schweiß rann ihm in Strömen über den Leib. Er spürte, wie seine Haut Blasen warf, die zerplatzten, wie seine Knochen wie flüssiges Gummi zu zerschmelzen begannen. Leute starrten ihn besorgt an, während er schwankte. Er lächelte, verbeugte sich, grinste seine Schwester, Elena und Rowena Owens an. Mit mir ist alles in Ordnung, alles ist bestens. Vielleicht habe ich etwas zu viel Sonne abbekommen, aber nichts Ernstes; alles okay, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen.
    Jemand schrie auf.
    Noyes glaubte zuerst, sie schrien seinetwegen, weil er in seinem geschwächten Zustand zusammengebrochen, auseinandergefallen, geschmolzen oder in der Sonne aufgegangen war. Aber nein, er stand ja noch auf seinen Beinen, und niemand sah auf ihn. Sie zeigten alle auf das Meer hinaus. Mit ungeheurer Mühe drehte Noyes sich um, um festzustellen, was los war.
    „Er hat die Kontrolle verloren!“, rief Rowena Owens. „Helft ihm doch, irgend jemand muß ihm helfen!“
    Noyes sah, daß Owens das Riff erreicht hatte. Er war auf die Korallenbank zugeschwommen, die hundert Meter vom Strand entfernt war und unmittelbar unter der Wasseroberfläche lag, die sie an etlichen Stellen auch durchbrach. Dort hatten seine rebellischen und verantwortungslosen Transplantate sich gegen ihn durchgesetzt. Nun schlug Owens um sich und zappelte wie ein Fisch an der Angel. Er rannte aus dem Wasser, krachte auf die rasiermesserscharfen Korallenbänke, strampelte mit den Beinen in der Luft, verschwand für einen Moment aus dem Sichtfeld, sprang wieder hoch und stürzte auf einen anderen Teil des Riffs. Schon bedeckten lange rote Schnittwunden seine Haut. Wieder und wieder stieß er gegen das Riff. Schließlich erkletterte er sogar ein Teilstück und tanzte wie von Sinnen darauf herum.
    „Er wird sich in Stücke schneiden“, sagte David Loeb.
    „Und das Blut im Wasser“, fiel Santoliquido ein. „Bald werden die

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