Noch einmal leben
endlich voll erfaßt hatte, traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht.
„Du willst Paul dort hineinstecken?“
„Ja“, sagte Santoliquido selbstgefällig.
„Aber damit erschaffst du einen Dybbuk! Es ist doch Paul Kaufmann, der Martin St. Johns Körper steuert!“ rief Kaufmann mit heiserer Stimme.
„Richtig. Trotzdem gibt es keine Bestimmung, die eine solche Transplantation untersagt. Wir bekommen so selten vakante Körper in die Hand, daß es dafür noch keine Präzedenzfälle gibt. Und Paul war doch eigentlich ein Mensch, der dauernd Präzedenzfälle geschaffen hat. Sein Verstand ist so einmal dynamisch und überwältigend, daß er wahrscheinlich jeden Wirt überrennen und zum Dybbuk werden würde; abgesehen von ein paar Ausnahmen, wie Roditis oder dir selbst Und wir stehen vor der moralischen Verpflichtung, Pauls Bewußtsein wiederzuerwecken. Wenn wir ihn einer normalen Transplantation unterziehen und daraus ein Dybbuk wird, verlangen die Sicherheitsbehörden eine Zwangslöschung. Wenn wir ihn aber in einen völlig leeren Körper stecken, kann er doch gar nicht so etwas Verbrecherisches tun, wie ein anderes Bewußtsein zu unterdrücken. Paul kann also auch gar nicht gegen die Dybbuk-Gesetze verstoßen. Und was kommt dabei heraus? Dein Onkel Paul kehrt in die Welt als freies, unabhängiges Wesen zurück, wahrhaft wiedergeboren.“
Kaufmann machte diese Vorstellung schwindeln.
Er bemerkte die Selbstzufriedenheit auf Santoliquidos Gesicht und wußte sofort, daß der Direktor vom Scheffing-Institut da einen Plan ausgeheckt hatte, der sowohl Roditis wie auch ihn, Mark selbst, matt setzte. Indem er das umstrittene Fremdbewußtsein einer dritten Partei, einer Null, einem vakanten Körper gab, zog er äußerst elegant Mark und John den Boden unter den Füßen weg. Roditis mochte noch so viel wüten und toben, solange er keinen Formfehler in der Transplantation fand, konnte er dagegen nicht angehen. Und Mark, der so erfolgreich eine Schlacht geführt hatte, um Paul aus Roditis’ Gehirn herauszuhalten, konnte jetzt natürlich schlecht versuchen, Santoliquido an der Durchführung dieser Übertragung zu hindern.
Ironischerweise hatte gerade Risa dem Direktor zur Lösung seines Dilemmas verholfen. Sie war ihm sehr entgegengekommen, indem sie ihm gerade in dem Moment einen vakanten Körper verschafft hatte. Eins, zwei, drei … und schon würde Paul wieder unter den Lebenden weilen – nicht bloß als schweigendes Fremdbewußtsein, auch nicht als gesetzloser Dybbuk, der einem unterlegenen Wirt die Kontrolle über den Körper abgerungen hatte, sondern als wahrhaft Wiedergeborener, dem man mit dem Segen des Scheffing-Instituts einen eigenen Körper gegeben hatte.
„Was hältst du davon?“ fragte Santoliquido etwas schüchterner.
Noch immer verwirrt antwortete Kaufmann: „Das kommt alles etwas plötzlich. Alle möglichen Komplikationen entstehen dadurch. Was hat dieses Wesen dann zum Beispiel für einen rechtlichen Status? Paul ist schließlich tot gewesen, und sein Besitz wurde testamentarisch verteilt.“
„Rechtlich gesehen nimmt dieses Wesen den Status von Martin St. John an“, sagte Santoliquido. „Darüber habe ich mich bereits unterrichten lassen. Es wäre weiterhin Martin St. John – nur mit dem Bewußtsein von Paul Kaufmann. Praktisch gesehen wäre er natürlich Paul im Körper von St. John, aber das gibt ihm keinen Anspruch auf den Kaufmann-Besitz. Ich vermute, daß ihr ihn als Onkel Paul im Familienkreis aufnehmen werdet und möglicherweise sogar eine Stellung für ihn in euren Unternehmungen findet. Aber das bleibt völlig euch überlassen. Ihr könntet ihn genauso gut seinen Weg als St. John machen lassen. Und wie ich Paul kenne, würde er das auch schaffen.“
„Ja“, sagte Mark düster. „Das glaube ich auch.“
„Was hältst du also davon? Ich habe dich von der furchtbaren Bedrohung befreit, Roditis an deiner familiären Brust nähren zu müssen! Das muß dich doch erleichtern, was, Mark? Oder etwa nicht? Du machst mir keinen gelösten Eindruck.“
Der erste Schock war im Abklingen begriffen. Kaufmann begann die weiteren Auswirkungen zu erkennen, nachdem seine Verwunderung über Santoliquidos Coup nicht mehr so stark war. Paul würde also wirklich ins Leben zurückfinden, genauso verschlagen und durchtrieben wie zuvor und mit dem zusätzlichen Vorteil eines jungen Körpers. Das roch nach Bedrohung für Marks eigene Stellung als Chef des Kaufmann-Clans.
Aber kein
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