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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Familienmitglied konnte einen wiedergeborenen Paul als wirklichen Kaufmann anerkennen. Man würde sich gern seiner Erfahrungen und seiner Weisheit bedienen, ihm aber nie wieder den alten Status zugestehen. Günstigstenfalls konnte er noch das zweitwichtigste Familienmitglied werden.
    Ich werde mit ihm fertig, sagte sich Mark. Außerdem hat Santoliquido keine Ahnung davon, daß ich auch ein Paul-Kaufmann-Fremdbewußtsein in mir tragen werde. Das wird mich erst recht befähigen, ihn in seine Schranken zu verweisen, wenn es zwischen uns beiden zum großen Knall kommen sollte. Und was meine Auseinandersetzungen mit Roditis angeht, kann ich mit Pauls Unterstützung rechnen.
    Mark malte sich in Gedanken ein mögliches rivalisierendes Dreiecksverhältnis aus: er selbst, der neue Paul und Roditis. Aber bei diesen Auseinandersetzungen würde er konstant die Führungsrolle übernehmen können. Denn er war Mark plus Paul und damit Paul allein um mindestens eine und Roditis sicher um zwei Marken überlegen.
    Schließlich sagte er: „Ja, das war sehr schlau von dir, Frank. Das gestehe ich bewundernd ein. Hast du diese Neuigkeit schon Roditis mitgeteilt?“
    „Nein, ich dachte mir, warte noch einen Tag oder zwei, solange bis die Transplantation durchgeführt worden ist. Ich würde John Roditis lieber mit einem fait accompli überraschen.“
    „Das wird wohl das Beste sein“, sagte Kaufmann. Er kicherte. „Ich kann mir vorstellen, daß dir diese Überraschung gelingen wird.“

 
12
     
    „Ich fürchte, was jetzt kommt, wird dir nicht gefallen, John“, sagte Charles Noyes. „Elena hat mir erzählt, daß man dir Paul Kaufmann nicht geben wird. Man hat eine Art menschlicher Puppe in die Finger bekommen, ein Körper, aus dem ein Dybbuk gelöscht wurde. Und da wollen sie Paul nun hineinstecken.“
    Ängstlich erwartete Charles Roditis’ Reaktion.
    Sie befanden sich in der Zentrale der Roditis-Versicherungsgesellschaft, Sektion Mittelwesten, genauer in Evansville, Indiana, und dort im obersten Stock eines Turms, von dem aus man die ganze Flußlandschaft überblicken konnte. Durch die großen Fenster war auch ein weiter Ausblick nach Kentucky hinein möglich. Noyes war an diesem Vormittag nach Evansville geflogen, nachdem er vorher mit Elena zu Mittag gegessen hatte. Und was er dabei erfahren hatte, war zu wichtig, um es Roditis telefonisch mitzuteilen.
    John Roditis war merkwürdig ruhig geblieben. Er lief wortlos an Charles vorbei zum Fenster und sah auf das Lichtergefunkel der Stadt jenseits des Flusses. Dann drehte er sich langsam wieder um, trat auf die Schallskulptur von Anton Kozak zu, die eine ganze Wand des Büros beherrschte und stellte dort die Tonhöhe neu ein. Das Kunstwerk ließ jetzt ein sanftes Brummen von etwa fünfzig Hertz ertönen. Eine horizontal gelagerte Komponente der Skulptur begann mit dieser Frequenz zu schwingen, produzierte einen Rauschton und war nur noch schemenhaft zu sehen. „Hat Elena das von Santoliquido erfahren?“ sagte der Grieche leise.
    „Ja, sie war fast die ganze letzte Nacht bei ihm, und er hat ihr alles erzählt. Wie Elena sagte, muß Santoliquido ziemlich stolz auf seinen Coup sein, weil er sowohl dir als auch Mark Kaufmann einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.“
    „Was wollte Mark denn mit seinem Onkel Paul anstellen?“
    „Er wollte ihn selbst haben. Und wenn das nicht ging, sollte die Aufzeichnung im Depot liegenbleiben. Da eine Eigennutzung für ihn ja so gut wie ausgeschlossen ist, bemühte er sich darum, daß niemand in den Genuß seines Onkels kommen sollte. Santoliquido hat nun die ganze Angelegenheit so gedreht, daß keiner von euch beiden das Gewünschte bekommt und auch nichts dagegen unternehmen kann.“
    Roditis blieb immer noch so kalt wie eine Hundeschnauze. Stattdessen streichelte er den leuchtenden Rand der Schallskulptur. Noyes war die Ruhe seines Chefs unbegreiflich. Eigentlich hätte Roditis toben und brüllen sollen. Ob er vielleicht Drogen eingenommen hatte und nicht mehr Herr seiner selbst war? Oder hatte er sich bis zum Halskragen mit Tabletten vollgepumpt? Ob in seinem Körper ein Chemosterilant floß, der so stark war, daß er jede erregte Reaktion verhinderte?
    „Weiß Kaufmann schon von dieser Entscheidung?“ fragte der Grieche.
    „Ja“, sagte Noyes, „Santoliquido hat ihn vor zwei Tagen angerufen und ihn davon unterrichtet.“
    „Und wie hat er es aufgenommen?“
    „Er wurde wütend, sehr wütend sogar. Aber schließlich hat er sich

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