Noch einmal leben
bleibt über Nacht bei Ihnen. Morgen früh treffen Sie alle Vorbereitungen, sich Zutritt zum Depot mit den älteren Aufzeichnungen zu verschaffen. Gegen Feierabend wird man Sie dort abholen und mit der Kassette nach San Francisco bringen. Dort treffe ich Sie morgen abend, und Sie pflanzen mir das Bewußtsein ein. Wenn Sie dann übermorgen wieder zur Arbeit gehen, haben Sie Ihren Teil der Abmachung erfüllt, und Ihr Gedächtnis wird gelöscht sein, um alle Verhöre unmöglich zu machen. Ihr Jahresgehalt von mir wird an jenem Tag auf Ihr Konto überwiesen. Abgemacht?“
Donahy nickte dumpf.
„Ihre Hand drauf,“ sagte Kaufmann. Er ergriff die schlaffe, kühle Hand des Technikers. Dann rief er per Knopfdruck einen Mitarbeiter, der Donahy nach Hause bringen sollte. Der Techniker würde nicht mehr aus den Augen gelassen werden, bis er seine Arbeit getan hatte.
Schwerfällig ließ Kaufmann die innere Anspannung in sich abklingen. Das Gespräch war erwartungsgemäß verlaufen. Ihm behagte sein Handeln am Rande der Legalität nicht sonderlich, aber bei diesem Stand der Dinge konnte er einfach nicht mehr anders handeln. Im Wesentlichen fühlte sich ein Kaufmann seiner Ehre verpflichtet. Aber wenn die Ehre ihm diktierte, daß die Stellung der Familie unter allen Umständen zu verteidigen war, konnte Mark sich kaum mit Kopfschmerzen über halblegale Handlungen aufhalten. In normalen Vorstellungen von Ehre war eine Person wie Roditis auch nicht vorgesehen.
Er schaltete den automatischen Anrufbeantworter ein, um festzustellen, ob und welche Gespräche während seiner Unterhaltung mit Donahy eingegangen waren. Risa hatte angerufen. Er erfuhr von dem Gerät, daß sie in London auf einen Anruf von ihm wartete.
„Verbindung herstellen“, befahl er dem Telefon und schaltete das Gespräch auf den großen Bildschirm um.
Ein Moment verstrich. Dann erschien Risa in voller Lebensgröße auf dem Schirm. Sie sah erschöpft und müde aus. In London war Mitternacht schon vorbei. Ohne Zweifel verbrauchte diese Detektivarbeit für Tandy Cushing einen Großteil ihrer Energien.
„Na?“ sagte er. „Wie sieht’s aus?“
„Es geht zügig voran, Mark. Der Autopsie-Befund von Tandys Leiche ging heute morgen ein.“
„Ja und?“
„Sie war zum Zeitpunkt ihres Todes im ersten Monat schwanger. Das stimmt auch mit den Ergebnissen der Untersuchung des Dybbuk Claude Villefranche überein.“
„Verstehe“, sagte Mark. „Tandy ging zu Claude und erzählte ihm, sie sei schwanger und bestand auf einer Heirat. Er weigerte sich, die beiden stritten, bis er sie schließlich umbrachte.“
Risa lachte. „O nein! So wie du es erzählst, könnte es in jedem schlechten Kitschroman stehen. Tandy hätte niemals ihre Schwangerschaft dazu benützt, einen Mann zur Ehe zu zwingen. Besonders nicht einen Claude Villefranche.“
„Wie ist die Geschichte denn abgelaufen?“
„Die Gen-Tests haben gezeigt, daß sie von Stig Hollenbeck schwanger war, dem Schweden, ihrem anderen Bettgefährten. Irgendwann zwischen ihrer letzten Aufzeichnung im Juni und ihrem Tod im August hat sie vermutlich beschlossen, einmal auszuprobieren, wie es ist, ein Baby zu haben. Sie hat mit der Pille ausgesetzt, und Stig hat ihr das Gewünschte ermöglicht. Tandy wußte, daß Stig bereit war, sie zu heiraten. Er ist ein Mann mit Grundsätzen. Claude allerdings faszinierte Tandy mehr, andererseits erschien er ihr aber nicht vertrauenswürdig genug. Als sie schwanger war, flog sie in die Schweiz, um ein letztes Mal mit Claude zusammenzusein. In St. Moritz hat Tandy ihm dann von der Sache erzählt, und da ist Claude ausgenippt. Er ist furchtbar wütend geworden und hat ihr erklärt, sie solle den Fötus abtreiben lassen und sich die Sache mit der Ehe mit Stig aus dem Kopf schlagen.“
„Aber du hast doch gesagt, Claude hatte gar kein Interesse daran, sie zu heiraten“, sagte Mark verwundert.
„Das stimmt ja auch. Aber er wollte auch nicht, daß Stig sie ihm wegschnappte. Oder ihr ein Kind machte. Er sah das als Affront gegen seine Männlichkeit an und ist vor Eifersucht fast geplatzt. Also kam es zum großen Krach. Dann gingen sie Skifahren, er entfernte einen Zuleitungsbolzen aus ihrem Schwerkraftregler. Tja, dann ist sie abgestürzt. Wenn er sie lebendig nicht mehr haben konnte, sollte sie eben sterben. Das alles läßt sich aus seiner letzten Aufzeichnung entnehmen. Die hat er zwei Monate vor seinem Tod machen lassen.“
„Ist denn niemand auf die Idee gekommen, ihre
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