Noch einmal leben
und glänzendes Stück. Sein langes schwarzes Haar lag glatt am Kopf und war so frisiert, daß es die wilde Schroffheit seiner Züge betonte: die stark hervortretenden Wangenknochen, das fuchsartige Kinn, die rabenartige Nase. Mark Kaufmann schaffte es tatsächlich immer wieder, irgendwie gut auszusehen – trotz der Ansammlung allzu offen zutagetretender und scharfkantiger Züge, die sein Gesicht ausmachten. Risa war bis über beide Ohren in ihn verliebt, und beide wußten natürlich davon. Pflichtgemäß verbargen sie diese Tatsache nach außen. Seine Augen flogen flüchtig über die angewinkelte Nacktheit des Körpers seiner Tochter.
„Na, du willst wohl unbedingt ins Krankenhaus?“ fragte er. „Im April kann man in dieser Gegend eigentlich noch kein Sonnenbad nehmen.“
„Hier draußen ist es warm genug, Mark“, sagte sie unwirsch.
„Zieh dir was an.“
„Warum denn, wenn mir doch gar nicht kalt ist?“
„Na gut“, sagte Mark, „dann eben nicht. Aber solange du nackt bist, brauche ich auch nicht mit dir zu reden.“
„Wie spießig du doch bist, Mark. Seit wann gehörst du zu den Verfechtern des Nacktheitverbots?“
„Das hier hat nichts mit Verboten und Tabus zu tun, Risa, sondern nur mit deiner Gesundheit Ab und zu muß ich mich auch ein wenig um dein körperliches Wohlergehen kümmern, nicht wahr? Und überhaupt …“
„Also gut“, sagte Risa, „dann reden wir drinnen weiter.“
Trotzig ihre Nacktheit präsentierend, schlenderte sie an den beiden vorbei durch die Glastür und warf sich in einen abstrakten Webschaumsessel neben der großen Fensterscheibe. Sie faltete die Hände um ein hochgezogenes Knie. Ihre Augen wanderten vom Vater zu Elena, die sich bei diesem Zwischenfall offensichtlich fehl am Platze fühlte. Sehr gut. Sollte sie doch schmoren. Elena besaß genau den Körper, an den Risa vor einer Weile gedacht hatte.
Unübersehbar üppig. Volle Hüften, kräftige Oberschenkel, hochstehende, große Brüste. Und immer so gekleidet, daß alle ihre Vorzüge voll zur Geltung kamen. Risa beneidete die Geliebte ihres Vaters nicht um die Figur. Gewöhnlich stützte Elena ihren Körper mit einem Korsett und sonstigen Hilfen, damit er in der gewünschten Weise wirkte. Aber Risa erinnerte sich noch gut an die Strandparty im letzten Jahr, als sie alle nackt geschwommen waren. Die arme Elena: alles an ihrem Körper hatte gehüpft und ganz schrecklich gewackelt. Ein solcher Körper war im Nacktzustand nur fürs Bett geschaffen oder für die mehr offenbarenden als verhüllenden Abendkleider, aber nicht für die unbefangene Freikörperkultur in der Natur. Risa fragte sich, ob sie, falls Elena morgen sterben würde, ihr Bewußtsein als Transplantation beantragen sollte, verneinte die Frage aber. Sicher, es wäre eine erregende Boshaftigkeit, gerade Elena zu wählen, aber Risa glaubte nicht, daß sie so besonders scharf darauf war, diese Frau in ihrem Kopf zu haben, und sei es auch nur zeitweise.
Mark und Elena kamen von der Terrasse herein. Risa kicherte. Sie hatte diese Runde um Längen gewonnen. Ihr Vater war mit Elena heraufgekommen, weil er wußte, daß es Risa ärgerte, die beiden zusammen zu sehen. Aber er war mit einer nackten Tochter konfrontiert worden, und das ärgerte ihn, weil es in ihm die unangenehme Vorstellung vom Elektrakomplex weckte und ihn gleichzeitig vor Elena bloßstellte. Daher hatte er so ein Trara um eine Lungenentzündung gemacht, die sie sich nackt draußen holen würde. Daraufhin war sie gehorsam nach drinnen gegangen, aber nackt geblieben. Damit hatte sie ihrer Rebellion erst recht eine provokatorische Note hinzugefügt. Mark lächelte jetzt auch. Er wußte, daß er von einer Expertin geschlagen worden war, und er konnte nicht umhin, stolz auf sie zu sein.
Sein Apartment lag eine Etage unter ihrem. Risa hatte ihrem Vater eine Nachricht mit der Bitte hinterlassen, zu einer Unterredung heraufzukommen, sobald er zum Mittagessen kam.
Sie sagte: „Ich wollte ein vertrauliches Gespräch mit dir führen, Mark.“
„Du kannst ruhig vor Elena sprechen. Sie gehört praktisch zur Familie.“
„Merkwürdig, bei der Beerdigung von Onkel Paul habe ich sie aber nicht gesehen.“
Mark fuhr zusammen. Risa schrieb sich in Gedanken ein ganzes Dutzend Punkte gut. Heute morgen war sie richtig scharf. Elena kochte.
Heiser sagte Elena: „Wenn das hier eine Familienkonferenz sein soll und ich störe …“
„Ich möchte nur eine kleine Weile mit meinem Vater reden“, sagte
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