Noch einmal leben
Apartment seiner Tochter, lagen das geräumige Wohnzimmer, das Eßzimmer und die Bibliothek, in die Mark sich jetzt begab. Kaufmann verbrachte einen großen Teil seiner Zeit in seiner Manhattan-Wohnung, obwohl er woanders auch Apartments besaß, mindestens eines auf jedem der sieben Kontinente und etliche, die sich nicht auf der Erde befanden. Jedes von ihnen konnte vom Komfort her als ebenbürtige Kopie der Wohnung hier angesehen werden. Aber diese zwölf Zimmer in der East 118. Straße bildeten das Zentrum seines Wirtschaftsimperiums. Es kam öfters vor, daß er diese Wohnung tagelang nicht verließ.
Rasch ging er auf die Bibliothek zu. Elena stand am Kamin, unter dem Bildnis des düster dreinblickenden Onkel Paul. Sie sah unzufrieden aus.
„Es tut mir leid“, erklärte Mark. „Risa war eben besonders schlecht gelaunt und hat ihren Unmut an dir ausgelassen.“
„Warum haßt sie mich so sehr?“
„Vermutlich, weil du nicht ihre Mutter bist.“
„Stell dich nicht so dumm an, Mark. Sie würde mich noch mehr hassen, wenn ich ihre Mutter wäre. Sie haßt mich, weil ich zwischen sie und dich getreten bin. Das ist der einzige Grund.“
„Das darfst du nicht sagen, Elena.“
„Es stimmt aber. Dieses Kind ist ein Monstrum.“
Kaufmann seufzte. „Nein, sie ist kein Kind mehr. Das hat sie mir eben mit aller Deutlichkeit klargemacht. Und ein Monstrum ist sie eigentlich auch nicht. Sie ist bloß eine besonders begabte Schülerin der Kaufmannschen Geschäftspraktiken. Und in gewisser Weise bin ich sogar furchtbar stolz auf sie.“
Elena studierte ihn mit kaltem Blick. „Es muß ja eine gräßliche Tragödie für dich sein, daß sie deine leibliche Tochter ist, nicht wahr? In ein paar Jahren, wenn sie ausgereift ist, würde sie eine wunderbare Ehefrau für dich abgeben. Oder eine Geliebte. Aber Inzest gehört ja nicht zu den Geschäftspraktiken der Kaufmanns.“
„Elena …“
„Ich hätte da einen Vorschlag“, schnurrte Elena, „laß Risa umbringen und ihr Bewußtsein mir einsetzen. Auf diese Weise kannst du uns beide in einer Person genießen, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen. Dann bekommst du meine körperlichen Vorzüge plus ihre berechnende Persönlichkeit.“
Kaufmann schloß für einen Moment die Augen. Er fragte sich oft, warum er sich nur mit Frauen umgab, deren Grausamkeit so hoch entwickelt war. Nach dieser kleinen Pause war er wieder etwas gefaßter, ignorierte Elenas Drohung und sagte bloß: „Möchtest du mich bitte entschuldigen? Ich muß noch ein paar Anrufe tätigen.“
„Und wo essen wir zu Mittag? Gestern hast du noch gesagt, wir wollten im Florida House Muscheln und Tintenfisch essen.“
„Wir werden hier zu Mittag essen“, sagte Kaufmann. „Laß doch vom Florida House kommen was du magst. Ich kann hier im Moment nicht weg – Geschäfte.“
„Geschäfte – Schnell noch ein paar Milliönchen, bevor es Abend wird!“
„Entschuldige mich“, sagte er.
Mark ließ Elena wie eine elegante Skulptur in der Bibliothek zurück und begab sich zu seinem Büro. Er berührte das Türschloß – hier war die ganze Handfläche erforderlich, nicht nur der Daumen. Die schwere, braungelbe Eichentür – ihr Innenleben bestand im wesentlichen aus den fein zusammengelegten dünnen Drähten der Sicherheitsanlage – tat sich vor ihm auf; wie eine fügsame Frau, die richtig behandelt worden war. Drinnen studierte Mark das Telex wie ein rastloser Mensch des Mittelalters vielleicht nach Antworten in den Werken des Vergil oder, rein zufällig, im Talmud gesucht haben mochte. Der Dow-Jones-Index für 30 US-Industriewerke war um 6 Punkte gefallen, Versorgungswerte waren gestiegen, Banken unverändert, und die interplanetaren Transportunternehmen hatten sich noch immer nicht stabilisiert. Kaufmanns Finger tippten auf der Konsole. Ganz rituell gab er Order für zwei rasche Transaktionen. Zum Kurs von 94 stieß er tausend Anteile der Metropolitan Kraftwerke AG ab, die er am Morgen noch zu 89% eingekauft hatte. Wenige Augenblicke später trennte er sich von achthundert Anteilen der Königin-Minen und nahm dabei einen Verlust von einem halben Punkt hin. Der Nettogewinn dieser Transaktionen war unbedeutend, aber Kaufmann wußte von seinem Onkel, der es ihm vor langer Zeit beigebracht hatte, um den therapeutischen Wert solcher kleineren Verkäufe, wenn man unter Streß stand.
Als nächstes schaltete er die Neutronenanlage ein, mit deren Hilfe er Risas Apartment überwachen konnte. Er war bestimmt kein
Weitere Kostenlose Bücher