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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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lange.
    »Madame«, sagte Zara, die, sosehr sie auch vorgab, Männer nicht zu mögen, auf deren Bewunderung schwer verzichten konnte, »der Baron liebt Monsieur de Siorac mehr als uns! Aber sie gleichen einander ja auch wie Zwillinge, und wenn der Baron Monsieur de Siorac ansieht, meint er in einen Spiegel zu blicken, deshalb zieht er ihn uns vor!«
    |28| »Aber, Zara, was redest du!« rief Quéribus, wirbelte auf dem Absatz herum und faßte sie um die Mitte. »Gibt es irgendeinen Anschein, daß ich dich jemals übersähe und euch, dich und deine Herrin, weniger liebte? Herr im Himmel, man möchte vergehen!«
    »Baron, wenn Ihr mich liebt«, sagte Gertrude, »zögert Ihr Eure Abreise nicht länger hinaus, denn ich habe in der Normandie etwas vor, das keinen Aufschub duldet.«
    »Ha!« sagte Quéribus, indem er mich einverständig anblinzelte, »da Euch das so am Herzen liegt, wie dürfte ich hier die Schnecke spielen? Trotzdem, zum Aufbruch blasen kann ich erst am 15. November.«
    »Am 15. November!« rief Gertrude.
    »Am 15. November!« echote Zara im selben bedauernden Ton.
    »Ach, so spät erst, Monsieur!« sagte Gertrude, »wie langweilig und ärgerlich, so lange zu warten!«
    »Madame«, sagte Quéribus, indem er sich verneigte, »so gern ich Euch zufriedenstellte, kann ich doch nicht früher: Mein Vetter Puymartin gibt am 10. November mir zu Ehren ein großes Fest auf seinem Schloß, zu dem er den sarladischen Adel einlädt und wo ich mich toll zu verlustieren gedenke, so daß ich vor dem 15. kaum davon erholt sein werde.«
    »Was?« sagte Gertrude leuchtenden Auges und wie eine Katze, welche die Ohren spitzt, »ein Fest! Ein großes Fest! Am 10.! Wird auch getanzt? Werde ich eingeladen?«
    »Ganz sicher, Madame!« sagte Quéribus, »auch Euer zukünftiger Gemahl und Euer Bruder hier, und François und Catherine, und die Herren von Mespech.«
    »Und ich?« fragte Zara.
    »Ihr selbstverständlich auch!« sagte Quéribus, wie mir schien, ein wenig spöttelnd. »Wie könnte ich eine hohe Dame ihrer Gesellschafterin berauben?« setzte er mit leicht ironischem Lächeln hinzu, denn so »hoch« stand sie bei ihm nun nicht, Gertrude war Amtsadel und er Schwertadel.
    »Ha!« rief Gertrude, sprang auf und lief, ihre Zofe zu umhalsen. »Hast du gehört, Zara? Ein Fest! Ein großes Fest! Am 10.! Mit dem sarladischen Adel! Auf Schloß Puymartin!«
    Zwar gab es keinen Anschein (wie Quéribus zu sagen pflegte), daß Zara nicht gehört hätte, trotzdem wiederholte Gertrude |29| es ihr noch zwei-, dreimal, und derart närrisch war sie auf Feste versessen, daß sie im Nu vergaß, wie eilig sie hatte abreisen wollen, um in der Normandie meinen Bruder zu heiraten.
    Im selben Moment trat der Gegenstand dieses Vergessens herein, in der Hand eine Flasche mit einer wenig verlockenden grünlichen Flüssigkeit, auf der sein himmelblauer Blick indes liebend ruhte, während er die Anwesenden nicht zu bemerken schien, nicht einmal Gertrude, der er jedoch ohne Hilfe der Augen zusteuerte wie ein Feilspan dem Magneten.
    »Oh, mein schöner Samson!« rief sie, indem sie zu ihm lief wie die Glucke zum Küken, »wie seht Ihr denn aus! Ohne Halskrause! Das Wams halb offen! Die Ärmel aufgestreift! Die Kniehosen hängend! Und die Haare ganz wirr!«
    »Mein Lieb«, sagte er sanft, mit Unschuldsaugen und anzusehen wie ein Heiliger im Kirchenfenster, »fünf Stunden habe ich gebraucht, um diese Medizin zu brauen (wobei er die grünliche Flasche schwenkte), und zwar aus zwölf Bestandteilen, die ich gesiedet oder destilliert oder zu Pulver zerrieben und in gutem Verhältnis zu einer höchst wirksamen Tinktur gemischt habe, die, denk ich, den Darmfluß der Maligou heilen wird.«
    Worauf Quéribus, der unverbesserliche Geck, vor Lachen losprustete, aber die feine Hand vorm Mund und indem er sich abwandte.
    »Baron«, sagte Gertrude zankend, »was gibt es da zu lachen! Ist es nicht engelgleiche Barmherzigkeit, daß dieses Gotteskind fünf geschlagene Stunden arbeitet, um der Unpäßlichkeit einer Hausmagd abzuhelfen?«
    Worauf sie, zu Samson gewandt, ohne jede Logik und im selben erzürnten Ton fortfuhr: »Samson, schämt Ihr Euch nicht, mir den ganzen Nachmittag Eure Tür zu versperren, nur um dieses grauenhafte Gebräu anzurühren? Zara, nimm es ihm aus den Händen und stell’s auf den Tisch.«
    »Ich kann nicht, Madame, meine Hände sind eingesalbt«, sagte Zara, und ich staunte, daß eine Kammerjungfer so zarte Hände hatte, daß sie von früh bis

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