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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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auszulachen. Barberine meinte im Gegenteil sogar, sein Heiltrank sei eben zu schön und gelehrt für eine schlichte Magd.
    |34| Mein Vater saß am oberen Ende der Tafel (wo das seltene Feuer ihm behaglich das Kreuz wärmte, während der zweite Kamin am unteren Ende der breiten Kruppe meiner guten Barberine einheizte), zu seiner Rechten, wie konnte es anders sein, saß der Mit-Herr von Mespech und Dame Gertrude du Luc zu seiner Linken.
    »Herr Bruder«, sagte Siorac auf französisch, »wißt Ihr schon, daß Puymartin uns am 10. zu einem großen Fest auf sein Schloß einlädt?«
    »Hm!« brummte Sauveterre, denn Fest hieß für ihn Tanzen und Tanz Verderbnis, aber drücken, das wußte er, würde er sich schwerlich können, würde doch Puymartin unserem Bündnis beitreten, wenn die Hochzeit von François und Diane stattfände.
    »Habt Ihr’s auch gehört, François?« fragte ihn Siorac mit einverständiger Miene.
    »Ich habe es gehört, Herr Vater«, sagte mein großer Bruder, der damit zum ersten- und letztenmal bei dieser Mahlzeit den Mund auftat, weil er Dame du Luc keines Wortes, ja nicht mal eines Blickes zu würdigen geruhte, war sie in seinen Augen doch nicht wohlgeboren genug, und erst recht Zara nicht, die überhaupt keine Geburt hatte. Und mit wem hätte er sonst reden sollen? War ich nicht nur der Zweitgeborene? Und Samson sogar ein Bastard? Mediziner der eine! Der andere Apotheker! Gewiß, es gab noch Quéribus, aber der hatte Augen und Stimme einzig für die Herren Brüder und für die Damen, denn so stolz er auf seinen Adel auch war, fragte er doch nicht viel, ob sie »geboren« waren, sie waren ja da und verschönten die Welt mit ihrem Glanz.
    »Herr Bruder«, sagte Siorac auf okzitanisch, die Gelegenheit nutzend, daß Gertrude mit Quéribus plauderte, »wie ich sehe, seid Ihr ganz stumm und starr bei dem Gedanken an dieses Fest.«
    »Nicht nur deswegen«, sagte Sauveterre mit einem Blick auf die beiden Leuchter und die Feuer. »Ich kann Euch nicht verhehlen, mein Bruder, daß es mir nicht schmeckt, wie die Dinge hier laufen. Wohin mein Auge auch schweift, erblickt es nichts wie Prasserei und Vergeudung.
Non ego mendosos ausi defendere mores.
« 1
    |35| »In dem Fall«, sagte mein Vater, indem er auf okzitanisch das Neue Testament zitierte: »Freuet euch, mein Bruder, mit denen, so sich freuen. Unsere beiden Papistinnen reisen am 15. mit unserem Freunde ab.«
    Worauf Quéribus, des Okzitanischen mächtig (seine Baronie lag ja im Carcassonner Land), zuerst meinem Vater, dann mir einen lächelnden Blick zuwarf, unverweilt aber sein höfisches Geturtel mit Gertrude fortsetzte.
    »Die Nachricht erleichtert mich unendlich!« sagte Sauveterre auf okzitanisch mit einem tiefen Seufzer.
» Nulla fere causa est in qua non femina litem moverit.
1 Womit, unter uns, mein Bruder, ein überlanger Monat denn überstanden wäre, samt allem Hader, der nicht so sehr um Holz und Talglichter ging als vielmehr um diesen
odor di femina
2 in unseren Mauern .«
    »Wie?« sagte mein Vater, »den verspürtet Ihr vorher nicht? Und Catherine und unsere Mägde?«
    »Der unterjochte Euch nicht«, sagte Sauveterre.
    »Ha!« sagte Siorac tiefernst, »da berührt Ihr einen Punkt, der mich oft beschäftigt. Es kommt vor, daß einer die Frauen gar nicht liebt. Aber daß einer sie liebt, ohne sie über die Maßen zu lieben, das gibt es nicht.«
    Ein Wort, das Jean de Sioracs Wesensart, wie auch meine, so treffend beschreibt, daß ich es mir bis heute gemerkt habe, dazu das Gesicht meines Vaters, als er es aussprach, und die Miene, mit der Sauveterre es aufnahm, denn gewiß hätte er eine Sprache bevorzugt, welche die Natur nicht über die Tugend erhob. Indessen war seine eifersüchtige Zuneigung in diesem Moment zu befriedigt, vom baldigen Aufbruch unserer hübschen Vögelchen zu hören, um Siorac noch weiter am Zeuge zu flicken. Ach, armer Sauveterre, daß er so enttäuscht werden sollte, wie ich bald vermelden werde!
     
    Meine kleine Schwester, deren
odor di femina
die väterlichen Nüstern, der Rede des Onkels zufolge, nicht kitzelte, war gar nicht mehr so klein, wie ich sie gern nannte, sondern mittlerweile vom Scheitel bis zur Sohle Weib geworden, schlank und |36| wohlgerundet, die Augen blank, das Gesicht rein und strahlend, und ohne Schminke, ohne Zier – außer der Kette, die ich ihr geschenkt hatte, um sie für den Goldring zu entschädigen, den ich der Gavachette mitgebracht hatte. Sie lauschte allem, was ich soeben erzählte,

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