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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Beistand sehnte… Bei diesem Gedanken riss Apolonia sich endgültig zusammen.
    Hatte sie zwischen all dem Schreck und der Aufregung denn vergessen, wer sie war? Sie war kein namenloses Opfer der Dichter, kein unwichtiger Niemand, der die Polizei auf sich rumtrampeln ließ! Am Ende würde sie siegen, Rache üben und Gerechtigkeit walten lassen - war das nicht ihr Ziel gewesen? Apolonia ballte die Fäuste, als hielte sie ihren wiedergefundenen Trotz in den Händen. Sie war lange genug in Selbstmitleid zerflossen. Bloß weil die Polizei begriffsstutzige Spießer anstellte, hatte sie an sich selbst gezweifelt. Nein, damit war jetzt Schluss.
    Mit verkniffenem Gesicht schloss sie die Knöpfe an ihrem Mantel und zu ihrer eigenen Freude und Ermutigung gelang ihr das bis auf wenige Ausnahmen perfekt.
    »Vampa«, sagte sie dann in dem Befehlston, der - ja - schon wieder ganz nach ihr klang, »weißt du, wie man Schnürsenkel bindet? Ich bekomme ehrlich gesagt nur solche merkwürdigen Schnecken hin. Wärst du so hilfreich?« Sie streckte ihm beide Füße hin und bemerkte erst jetzt seine auffällige Frisur. Er hatte sich die Haare frisch geschnitten, sodass sie ihm knapp in den Nacken reichten, und einen Seitenscheitel versucht,
der wider die natürliche Lage seiner Haare mit Wasser befestigt war. Die Frisur ähnelte Tigwids, nur dass Vampas Haare so platt waren, als hätte ein mächtiger Wasserstrahl sie ihm auf den Kopf gepresst. Sein Gesicht war ungewohnt deutlich zu sehen, jetzt wo ihm die lockigen Strähnen nicht mehr über die Augen hingen. Seine Stirn war fast noch bleicher als seine Wangen und eine dünne blaue Ader schimmerte durch die wächserne Haut. Wortlos schnürte er Apolonia die Schuhe.
    »Danke«, sagte sie und versuchte, sich von den lichtlosen Augen nicht ängstigen zu lassen, die hinter Vampas Wimpern saßen wie eingesetzte Scheiben. Egal wie oft sie sie schon gesehen hatte, sie musste immer wieder gegen ihr Erschrecken ankämpfen.
    »Also, ich fasse unsere Lage zusammen. Wir können nicht zur Polizei, da man mir nicht glaubt. Außerdem suchen sie dich, weil du in Eck Jargo geboxt hast. Tigwid ist schon gefasst, ihm kann nur noch durch geschicktes juristisches Eingreifen geholfen werden. Wir könnten bei Professor Ferol einbrechen, um dein Blutbuch zu suchen, damit bist du einverstanden, richtig?«
    Vampa nickte.
    »Das werden wir aber nicht tun.« Apolonia atmete tief durch. »Ich habe meine Bedenken, ohne Tigwid den Einbruch zu wagen. Schließlich ist er doch der Experte, was das betrifft. Ehrlich gesagt habe ich schon zu viel aufs Spiel gesetzt und zu wenig Rücksicht auf meine eigene Sicherheit genommen. Ich habe mich von, nun, gewissen Rachegelüsten hinreißen lassen und war unvorsichtig, als ich zur Lagerhalle zurückgekehrt bin. Dabei sind das Entscheidende bei jedem Feldzug die Organisation und der kühle Kopf.« Apolonia holte abermals Luft und verschränkte die Arme. »Wir nehmen jetzt das Buch von Tig… ich meine Der Junge Gabriel mit, legen es meinem
Onkel vor und schildern ihm alles. Als der beste Staatsanwalt der Stadt wird er unser Anliegen mit Kraft und Tat vertreten. Ich bin bereit, Hilfe anzunehmen, um unser Ziel zu erreichen. Einbrüche und dergleichen sind heikel und ich will mich nicht noch einmal mit der Polizei anlegen. Mein Onkel wird den Teil übernehmen.« Apolonia stand auf. Die Entscheidung hatte sie Überwindung gekostet, schließlich opferte sie ihren Stolz, indem sie auf die Hilfe ihres Onkels zurückgriff. Aber lieber erreichte sie ihr Ziel auf weniger ruhmreichen Wegen, als ruhmreich gar nichts zu erreichen.
    »Du kannst mitkommen, wenn du möchtest, und mir als lebender Beweis dienen. Außerdem danke ich dir für deine Hilfe. Schließlich wäre ich ohne dich nie an Tigwids Blutbuch gekommen. Apropos Blutbuch. Ich müsste es mitnehmen.« Sie streckte die Hand danach aus und Vampa drückte es automatisch fester an die Brust.
    »Nein. Tigwid hat gesagt … Er wollte es doch nicht.«
    Apolonia versuchte, ein entspanntes Lächeln aufzusetzen. »Vampa. Vertrau mir einfach, dass ich meine Entscheidung wohl überlegt habe. Tigwid wird nichts zustoßen, falls du um ihn besorgt bist. Sollten seine früheren Fehltritte überhaupt jemanden interessieren angesichts der Geschichte, die wir mit den Dichtern liefern, dann bürge ich für die beste Strafverteidigung, die man nur kriegen kann.«
    Nun erhob sich auch Vampa. Er stand ihr genau gegenüber, und für einen kurzen Moment

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