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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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dagegen, uns auf die Energien in der Luft zu konzentrieren. Höchstens im Falle der Notwehr rauben wir einem anderen Lebewesen seine Kraft. So könntest auch du, Tigwid, einen Gegenstand festhalten, damit er nicht auf dem Boden zerbricht, oder du könntest eine Kugel nehmen, um sie jemandem ins Herz zu jagen. Es liegt immer daran, wie man seine Gabe einsetzt.«
    Die Sanduhr war abgelaufen und drehte sich von selbst um. Tigwid beobachtete nachdenklich, wie der Sand wieder zurückrieselte.
    »Was tut der TBK gegen die Dichter? Es reicht doch nicht, dass wir uns vor ihnen verstecken, damit sie sich nicht auch noch unsere Gaben aneignen können. Wir müssen sie irgendwie in dem aufhalten, was sie jetzt schon tun!«
    Collonta sah ihn aus blitzenden Augen an. »Du hast recht …
und genau aus dem Grund bist du hier, Tigwid. Wie ich schon sagte: Es geht um ein Mädchen, das du kennst.«
    »Was hat Apolonia damit zu tun?«, fragte Tigwid, und seine Stimme schwankte leicht.
    Der alte Geisterherr faltete die Hände vor dem Bauch. »Vor nicht langer Zeit hat Bonni eine Prophezeiung gemacht. Sie sagte, es werde ein Mädchen kommen, eine außergewöhnlich talentierte junge Motte, die Ratten tanzen lässt, ihre Schnürsenkel nicht binden kann und ein Herz hat, scharf wie ihr Verstand. Sie wird sich auf eine Seite stellen, entweder auf die der Dichter oder auf unsere - und ihre Gegner vernichten. Und Bonni hat dich gesehen. Sie sagte, ein Kleinganove - ich meine, ein Überlebenskünstler namens Jorel - werde dieses Mädchen finden und es entweder zu den Dichtern oder zum Treuen Bund führen.«
    Tigwid sah ihn reglos an. »Das ist also der Grund, wieso ihr mir geholfen habt.«
    Überraschung, dann Mitgefühl breitete sich auf Collontas Gesicht aus. »Nein, nein, Tigwid … wir hätten dich auch so bei uns aufgenommen! Wir nehmen jede Motte bei uns auf und jedes Opfer der Dichter, das wir aufspüren können!«
    Tigwid nickte und winkte ab. »Schon gut, ich versteh das. Übrigens brauchen Sie sich wegen Apolonia keine Sorgen machen. Wenn es ihr wirklich bestimmt ist, eine Mottengruppe zu vernichten, dann werden das garantiert die Dichter sein. Sie ist längst dabei, ihnen das Handwerk zu legen.«
    »Alleine?«
    »Ich wollte ihr ja helfen. Aber dann…« Er wies schnaubend auf seine bandagierte Schulter.
    »Du musst sie finden und herbringen, Tigwid«, sagte Collonta eindringlich. »Das ist der einzige Weg. Alleine die Dichter vernichten, das ist unmöglich! Die Prophezeiung besagt, dass sie sich einer Gruppe anschließen muss.«

    »Ja, ich wollte sie suchen! Ich kann sofort losge-«
    Collonta erhob sich abrupt und starrte auf eine Stelle hinter Tigwid. Tigwid drehte sich um. Die Luft schien an einem Fleck zu flimmern. Dann erschien der Grüne Ring und die Tür sprang auf. Einen Augenblick später war ein Mann erschienen, der eine braune Jacke und zu lange Hosen trug. Tigwid erkannte Rupert Fuchspfennig wieder, Collontas engen Freund und Mitstreiter.
    »Kommt schnell - Bonni sieht etwas«, sagte er und war mit einem Bein schon wieder im Grünen Ring.
    »Magdalenas Tochter?«, fragte Collonta knapp. Fuchspfennig nickte. Collonta eilte um den Schreibtisch herum auf den Grünen Ring zu. »Tigwid, beeil dich - wir setzen unser Gespräch ein anderes Mal fort. Husch, husch.«
    Sie traten in die Dunkelheit und einen Moment später führte die runde Tür sie zurück in das Badezimmer mit den Glühbirnen in der Wanne. »Kommt«, rief Collonta und lief ihnen voran durch die Wohnung. Tigwid warf noch einen letzten Blick auf die gemalte Tür und vergewisserte sich, dass sie im Spiegel nicht zu sehen war - dann folgte er Collonta und Fuchspfennig. Im Flur stießen sie auf Loo.
    »Wir waren gerade beim Kartoffelschälen fürs Abendessen und haben geredet, und plötzlich ist Bonni aufgestanden und drei Schritte gegangen und zusammengebrochen. Und dann haben wir gesehen, dass es wieder so weit ist, dass sie eine Vision hat … Sie ist hier, in ihrem Zimmer.« Loo öffnete die Tür. Auf einem schmalen Bett saßen Fredo und Zhang. In ihren Armen hing Bonni.
    Das silberne Haar fiel ihr wirr ins Gesicht, während sie sich drehte und wand wie eine Schlafende in einem Albtraum. Ihre Augen flatterten.
    »Um Gottes willen«, murmelte Tigwid. »Bonni! Bonni, hörst du mich?«

    Jemand hielt ihn am Arm zurück, als er auf Bonni zugehen wollte. Er blickte auf und sah, dass Kairo neben ihm stand. Er hatte ihn noch nie von Nahem gesehen. Unter dem dichten

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