Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
Vom Netzwerk:
Sie kann nicht festgenommen werden!«
     
    Seit der siebzehnfache Messerstecher vor zwölf Jahren gefasst worden war, hatte im Polizeipräsidium nicht eine solche Hochstimmung geherrscht. Die Telefone liefen heiß, die Büros und Zentralen waren erfüllt von Geklingel, es kamen Telegramme aus den höchsten Regierungskreisen, und vor dem Präsidium hatte sich seit gestern eine Kolonie Journalisten und Fotografen angesiedelt, die sich auf jeden stürzte, der eine Dienstmarke trug. Noch hatte die Polizei nicht alle Fakten über die Stürmung von Eck Jargo bekannt gegeben - lediglich ein paar klangvolle Namen waren gefallen. Luca Malozza, der Auftragsmörder, die millionenschweren Bankräuber vom vergangenen Januar, der mehrfache Heiratsbetrüger Ernest Mollbaum und viele weitere illustre Gestalten aus der Welt des Verbrechens waren gefasst worden. Noch dazu hatte man Beamte aus den höchsten Regierungskreisen bei Tänzerinnen und illegalen Boxkämpfen erwischt. Die spektakulärsten Gerichtsprozesse des Jahrhunderts standen jetzt bevor.

    Es fiel Apolonia schwer, durch das dichte Gedränge der Journalisten zu kommen, und als sie es endlich ins Polizeipräsidium geschafft hatte, stolperte ihr sogleich ein gehetzter Beamter in die Arme, der einen Stapel Akten trug. Die Papiere flatterten durch die Luft und verstreuten sich über die gesamte Eingangshalle.
    »Haben Sie keine Augen im Kopf?«, fauchte Apolonia gereizt. Der Beamte funkelte sie durch sein Monokel an, dann bückte er sich und klaubte grummelnd die Akten wieder auf. Apolonia stieg über ihn hinweg und lief die breite Treppe hinauf, die zur Kriminalpolizei führte. Überall kamen ihr geschäftige Polizisten und Sekretäre entgegen, finster dreinblickende Männer wurden in und aus Verhörzimmern geschleppt, irgendwo erklang das Schluchzen einer Tänzerin, und in den weitläufigen Büros tummelten sich Beamte, Kommissare und ein paar hochrangige Journalisten zwischen schrillenden Telefonen und Sektgläsern.
    Endlich erreichte Apolonia den gesuchten Schalter und klopfte gegen die Glasscheibe. Eine Beamtin, die sich lautstark mit einem Kollegen unterhalten hatte, wandte sich ihr zu und setzte schlagartig eine gelangweilte Miene auf.
    »Name und Anliegen«, verlangte sie.
    »Mein Name ist Apolonia Spiegelgold«, sagte Apolonia und betonte dabei ihren berühmten Nachnamen, »und ich wünsche, unverzüglich Inspektor Bassar zu sehen. Es handelt sich um einen Notfall.«
    Die Beamtin blinzelte gelangweilt. »Der Inspektor ist außer Haus. Er wird zu gegebener Zeit die Presse informieren, allerdings hat die Durchsuchung von Eck Jargo im Augenblick Vorrang. Er gibt momentan auch keine Interviews. JA, Luca Malozza wurde festgenommen, JA, er befindet sich in Untersuchungshaft, JA, es wurden Raubgüter sichergestellt, ihr Wert ist zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, NEIN, es
wurden keine Schmiergeldbunker in privaten Mieträumen gewisser Staatsbeamter gefunden …«
    »Ich bin keine Journalistin, die sich hier hereingeschmuggelt hat«, unterbrach sie Apolonia. »Ich habe ein wichtiges Anliegen, das den Inspektor interessieren wird, und gewiss möchten Sie nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn ihn gewichtige Informationen nicht erreichen.«
    Die Beamtin betrachtete sie nach dieser Drohung ungerührt. »Der Inspektor ist wie gesagt außer Haus.«
    »Wo kann ich ihn finden?«
    Die Beamtin lehnte sich zurück. »Ich bin für Stockwerke Nummer drei und vier zuständig und kümmere mich ausschließlich um die dort quartierten Beamten. Guten Tag.« Damit drehte sie sich um und setzte die Unterhaltung mit ihrem Kollegen fort.
    Fassungslos starrte Apolonia die Frau an. Dann klopfte sie energisch gegen das Glasfenster. Beim zwanzigsten Klopfen drehte sich die Beamtin endlich um.
    »Ich muss Sie darauf hinweisen, dass jegliche Beschädigung von Staatseigentum zur Anzeige gebracht wird.«
    »Wo kann ich auf den Inspektor warten?«
    Die Beamtin maß Apolonia mit einem Blick, der Von mir aus in der Hölle zu sagen schien.
    Schnell stellte Apolonia ihre Frage anders: »Sind Sie autorisiert, mir Auskunft zu geben, wo das Büro des Inspektors liegt?«
    Die Beamtin schien nachzudenken. »Prinzipiell schon. Sie können in den fünften Stock gehen, Flur sieben, Zimmer zwölf. Aber der Inspektor ist außer Haus …«
    Apolonia war bereits losgegangen. Sie drängte sich durch den überfüllten Flur und eine Treppe hoch. Hier war es viel leerer. In der Ferne der Flure hallte das Klingeln

Weitere Kostenlose Bücher