Nocturne City 03 - Todeshunger
später bei meinem Schichtleiter ein neues Zuhause. Was hätte ich dafür gegeben, hätten sich meine aktuellen Probleme auch so einfach lösen lassen!
Der Wegweiser zum historischen Teil des Friedhofs war mit dem Graffiti eines Werwolfsrudels beschmiert, was aber nicht besonders schlimm war, da ich das Gebiet wie meine Westentasche kannte. Lange genug hatte ich dort Junkies aufgeschreckt und Liebespärchen verscheucht, sodass ich den Wagen sicher durch den aufkommenden Nebel steuern konnte. An einer der vielen Kurven unterschätzte ich allerdings meine Geschwindigkeit, sodass der Wagen einen Grabstein touchierte. »Tut mir leid«, murmelte ich mit einem Blick zur Seite, um mich für die Störung des Seelenfriedens zu entschuldigen.
Ich richtete meine Augen wieder auf die Straße und schrie, als plötzlich eine Gestalt im Scheinwerferlicht auftauchte. Ich trat auf die Bremse. Als der Fairlane daraufhin seitwärts ausbrach, flog mein Kopf nach vorn und knallte geradewegs aufs Lenkrad. Nachdem der Wagen zum Stehen gekommen war, öffnete ich die Augen wieder, in die bereits das Blut aus der Platzwunde auf meiner Stirn lief.
Draußen hörte ich Lachen aus dem Nebel. »Arme kleine Spürhündin. Hast du dir wehgetan?«
»Schmerzt jedenfalls mehr als der kleine Piekser von deinem Taschenmesser«, blaffte ich zurück, während ich mich mit dem Gurt abmühte. Leider klemmte jetzt auch noch die Tür, sodass ich nicht anders konnte, als sie mit einem Fußtritt zu öffnen.
›»Klein‹ ist doch dein Stichwort, Lucas, also zeig dich endlich! Wo bist du?«
»Hinter dir«, raunte er in mein Ohr und legte blitzschnell die Hände auf meine Schultern. Noch ehe ich reagieren konnte, hatten sich seine Klauen in die Haut unter meinem Schlüsselbein gegraben. Ich versuchte zwar noch, mich wegzuducken, aber im nächsten Moment hatte mich Lucas schon in die Höhe gehoben und gegen einen Grabstein geschleudert, der beim Aufprall in zwei Hälften brach. Durch die harte Landung riss die Stichwunde an meinem Bauch wieder auf.
»Jetzt liegt der Geruch deines Blutes in der Luft!«, rief Lucas vergnügt. »Ich hoffe, du bildest dir nicht ein, auch nur den Hauch einer Chance gegen mich zu haben.«
Ich brauchte einen Augenblick, um ihn im schwachen Licht auf einem Grabhügel vor mir ausmachen zu können: eine gebückte schwarze Gestalt mit einem Paar spitzer Ohren und jeder Menge rasiermesserscharfer Zähne, die aus dem schattenhaften Körper hervorstachen.
»Ich muss schon sagen, du hast erstaunlich lang überlebt«, rief Lucas. »Scheinbar hast du einen ganz passablen Überlebensinstinkt. Leider ist bei deiner Freundin davon nichts zu spüren.«
Zwei Wendigos in Menschengestalt schleppten eine sich kaum wehrende Carla auf den Grabhügel. Als sie angekommen waren, setzte ihr einer der beiden eine Spritze in den Hals – ganz so, wie sie es ein paar Tage zuvor auch bei mir getan hatten. Beim Anblick der Kanüle kam es mir allerdings vor, als läge meine Entführung Jahrzehnte zurück.
»Lasst sie zufrieden!«, schrie ich und rappelte mich auf, was sich von der Schmerzintensität her etwa so anfühlte, als steckte man den Zeh in einen Papierschredder. »Ich bin es, mit der ihr noch eine Rechnung offen habt, nicht sie!«
»Da würde ich dir widersprechen wollen«, gab Lucas zur Antwort. »Es ist nämlich so, dass ich mit jeder einzelnen von euch stinkenden Pelzkugeln eine Rechnung offen habe! Du hast deine Chance vertan, Luna. Ihr Blut wird genauso rot fließen wie deines.«
Lucas packte Carla, stieß seine Klauen in ihre Brust und begann, ihr Blut zu trinken. Er hatte keinen Augenblick gezögert und zeigte nicht das geringste Anzeichen von Anteilnahme. Selbst als sich Carla in seinem Griff zu winden begann und um ihr Leben kämpfte, wirkte sein Gesicht ruhig und entspannt, ja fast friedlich. Obwohl es mir wie eine Ewigkeit vorkam, dauerte es keine zehn Sekunden, bis ihr toter Körper vor Lucas’ Füßen zu Boden sank.
»Schafft mir dieses armselige Hundevieh aus den Augen«, fauchte Lucas seine Leute an und hob mit angewiderter Miene den Fuß, um Carlas Leichnam von sich zu schieben.
Bereits als Lucas seine Klauen in Carlas Brust gestoßen hatte, war ich auf ihn zugestürmt, um meiner Artgenossin zu Hilfe zu kommen. Auf halber Strecke war allerdings Mr Pferdeschwanz wie aus dem Nichts vor mir aufgetaucht. In bester Wrestling-Manier streckte er den Arm aus und riss mich mit einem gelungenen Treffer direkt auf den Kehlkopf nieder. Ich
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