Noelles Demut
streng.
An die Staatsanwältin gewandt, fragte er: „Ist Mr. Bishop den Verletzungen erlegen, die er durch die Angeklagte erlitten hat?“
„Nein, Euer Ehren! Laut Polizeibericht wurde Mr. Bishop während einer Kneipenschlägerei in der Nacht von Samstag auf Sonntag so schwer verletzt, dass er die darauffolgende Operation nicht überlebt hat.“
„Ein weiterer Beweis seiner Aggressivität“, warf Dana ein.
„Sparen Sie sich Ihren Atem, Mr. Dana.“
Es entstand ein langes Schweigen, das nur unterbrochen wurde, wenn der Richter die Seiten der Akte umblätterte. Noelle weinte lautlos. Sie empfand keine Erleichterung, keine Trauer, keinen Hass. In ihr war eine gähnende Leere.
Da begann der Richter zu sprechen: „In Anbetracht der erdrückenden Beweise gegen den Kläger, dem Geständnis der Angeklagten und der Tatsache, dass sie sich freiwillig gestellt hat, gebe ich dem Antrag der Verteidigung statt. Der Tatbestand der Notwehr ist gegeben. Die Anhörung ist beendet.“ Der Richter stand auf, ohne Noelle eines Blickes zu würdigen, und verließ den Raum.
„Was bedeutet das?“, flüsterte Noelle mehr zu sich selbst.
Es war die Staatsanwältin, die ihr antwortete und einen Arm um Noelles Schultern legte. „Es wird keinen Prozess geben. Es ist vorbei.“
„Ist er wirklich tot?“
„Ja!“
Die Staatsanwältin wurde in diesem Moment zur Seite gestoßen, und dann lag Noelle in Lydias Armen. „Mann, ich bin so froh. Das Schwein hat bekommen, was es verdient.“
„Sag so was nicht“, flüsterte Noelle und presste ihre Freundin an sich.
„Gratuliere!“, sagte Simon brummig. Er stand hinter Lydia und lächelte Noelle an.
Sie befreite sich aus der Umklammerung ihrer Freundin und stand auf.
„Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe. Vielen, vielen Dank.“ Dann schlang sie ihre dünnen Arme um seinen Nacken. Dabei musste sie sich auf die Zehenspitzen stellen, um bis zu seinem Hals zu gelangen. Simon legte vorsichtig einen Arm um Noelles Rücken.
„Du kannst mir danken, indem du mich Simon nennst und in den nächsten Wochen mit mir essen gehst.“
Kapitel 7
„Wie geht es ihr?“
„Nicht gut. Deshalb habe ich Sie angerufen, Mr. Baker. Ich weiß mir nicht mehr zu helfen. Sie redet sich ein, an Toms Tod schuld zu sein. Sie weint sehr viel, wirkt apathisch und spricht wenig. Immerhin isst sie regelmäßig.“
Simon legte Lydia die Hand auf die Schulter. Tränen glitzerten in ihren Augen. „Beruhige dich. Und gewöhn dir den Mr. Baker ab. Ich dachte, das haben wir hinter uns?“
Lydia schniefte und brachte Simon zu Noelles Zimmer. „Möchten … möchtest du was trinken?“
„Nein! Ich werde erst mal versuchen, mit ihr zu reden.“
„Vielleicht muss sie ja doch in eine Klinik? Wenn wir ihr nun nicht helfen können?“
„Das wäre die einfachste Lösung, und einfach liegt mir nicht, Lydia.“ Simon versuchte zu lächeln.
„Es ist gut, dass du da bist. Sie vertraut dir.“
Simon nickte und öffnete leise die Tür. Noelle lag zusammengerollt auf dem Bett und starrte vor sich hin. Das Kissen unter ihrem Gesicht hatte bereits einen nassen, dunklen Fleck.
Zwei Tage nach der Anhörung war er bei ihr gewesen, doch Noelle hatte ihn nicht sehen wollen. Also war er nach Los Angeles geflogen, um sich mit Arbeit abgelenkt. Das war jetzt eine Woche her. Simon fragte sich, ob er nicht hätte hartnäckiger sein sollen. Vielleicht hätte er verhindern können, dass sie in dieses Selbstmitleid verfiel. Nach Lydias Anruf am gestrigen Morgen, war er so schnell wie möglich zurückgekommen.
Noelle reagierte nicht, als er die Tür schloss und sich einen Stuhl an ihr Bett zog. Simon wollte eine ihrer Hände unter ihrer Wange hervorziehen, doch Noelle wurde stocksteif, als er sie berührte. Eine weitere Träne kullerte aufs Kissen und versickerte.
„Noelle“, rief er sie leise.
„Geh“, hauchte sie zurück.
„Du weißt, dass ich nicht gehen werde, bevor du nicht mit mir gesprochen hast.“
Noelle schwieg und stierte weiter auf einen imaginären Punkt an seinem Knie.
Sachte strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich möchte so gern dein Lachen wieder hören. Bitte, Noelle, sprich mit mir.“
Simon wischte sich mit den Händen übers Gesicht. Es zerriss ihm das Herz, sie so zu sehen. Sie schloss ihn völlig aus. Nicht nur ihn, die ganze Welt. Er lehnte sich zurück und starrte die Wand an.
„Als ich dich im Krankenhaus zum ersten Mal sah, hast du mich an meine Mom erinnert. Sie hatte in den
Weitere Kostenlose Bücher