Noelles Demut
in der Zellentür stand. Noelle schluchzte noch einmal auf, sank nach vorn, umfing ihre Knie und weinte.
„Schhht!“, hörte sie die Stimme der Polizistin. „Es war nur ein Traum.“
„Und wenn es keiner war? Wenn er recht hat und mich nie wieder jemand lieben kann?“, schluchzte Noelle.
Die Frau setzte sich aufs Bett und nahm sie in den Arm. „Halten Sie das, was er getan hat, wirklich für Liebe?“
Noelle hob den Kopf und sah die ältere Frau an. „Er hat gesagt, ich gehöre ihm.“
„Kein Mensch gehört jemandem. Und wenn Sie mich fragen: Dieser Mistkerl weiß nicht das Geringste von Liebe.“
„Wie heißen Sie?“
„Emma, Emma Thomson. Und jetzt schlafen Sie noch ein bisschen.“
„Wie spät ist es?“
„6:15 Uhr.“
„Danke, Emma Thomson.“
Die Frau lächelte milde, bevor sie absperrte.
Noelle starrte die Decke an. An Schlaf war nicht mehr zu denken. In Gedanken begann sie, die Anhörung durchzuspielen. Sie kam immer wieder zu dem gleichen Ergebnis. Tom würde sagen, dass sie es gewollt, sogar darum gebettelt hatte.
Alle, die jetzt noch nett und freundlich zu ihr waren, würden sie verabscheuen. Auch Simon! Besonders Simon! Er mühte sich so sehr, sie zu retten. Aber sie war verdammt. Es gab keine Rettung, nicht für sie.
Noelle drehte sich auf die Seite und legte ihre Arme schützend um sich. Diese Cassandra würde dafür sorgen, dass sie ins Gefängnis kam. Dort gehörte sie auch hin. Wie viel bekam man eigentlich für Körperverletzung? Zwei, drei, fünf Jahre?
Im Gefängnis wäre sie zumindest vor Tom sicher, wenn auch nur für ein paar Jahre. Je weiter sie den Gedanken spann, desto verlockender wurde er. Ein paar Jahre Ruhe, bevor er das vollendete, was er nicht geschafft hatte.
Geliehene Zeit, in der sie von Simon träumen und sich eine Zukunft ausmalen konnte, die sie nicht hatte.
Emma brachte ihr ein Sandwich und eine Tasche mit Sachen. Lydia hatte ihr ein blaues Kostüm eingepackt, eine weiße Bluse, Strümpfe und Pumps.
Lustlos zog sich Noelle um. Der nächste Schritt in eine erbärmliche Zukunft. Wo waren der Mut und die Zuversicht hin, die sie vor vierundzwanzig Stunden noch gehabt hatte?
Wortlos folgte sie Emma, als sie Noelle wenige Minuten später in ein kleines Büro brachte. In der Mitte stand ein Tisch mit zwei Stühlen. Ein junger, freundlich lächelnder Mann saß am Tisch. Er stand auf und reichte ihr die Hand.
„Mein Name ist Frank Dana. Ich werde Sie bei der Anhörung vertreten. Bitte setzen Sie sich.“
„Wo ist Ms. Addyngton?“
„Sie bat mich, den Fall zu übernehmen.“
Noelle setzte sich und verstand die Welt nicht mehr. Sie hatte fest mit Cassandras Abneigung gegen sich gerechnet. Wie sollte sie jetzt ihre gerechte Gefängnisstrafe bekommen?
Frank Dana musterte Noelle von oben bis unten. Eingeschüchtert schlug sie die Augen nieder und setzte sich ihm gegenüber auf den Stuhl. Er schlug die Akte auf und räusperte sich.
„Die Diebstahlanzeige ist bereits entkräftet, da Sie den Wagen gemeinsam nutzten. Heute Morgen habe ich den Untersuchungsbericht aus dem Krankenhaus geholt und eine Kopie der Staatsanwaltschaft übergeben. In Anbetracht ihrer Verletzungen und der Beweise früherer Brüche ist der Sachverhalt der Notwehr eindeutig belegbar. Ich verspreche Ihnen, dass Sie heute Nachmittag ein freier Mensch sind.“
Noelles Kopf schnellte hoch. „Aber ich will ins Gefängnis.“
Dana sah sie entgeistert an. „Sie wollen ins Gefängnis?“
„Ich habe versucht, ihn umzubringen. Das darf doch nicht ungestraft bleiben?“ Noelles Finger zitterten. Sie setzte sich auf ihre Hände und sah auf die Tischplatte.
„Hatten Sie tatsächliche eine Tötungsabsicht?“, fragte Frank Dana mit sanfter, mitfühlender Stimme. „Jede Frau in Ihrer Situation hätte ihr Leben verteidigt. Das ist kein Mordversuch. Machen Sie sich keine Vorwürfe.“
„Ich habe Angst“, flüsterte Noelle.
Frank Dana blätterte in seinen Unterlagen. „Das müssen Sie nicht. Aufgrund Ihrer Anzeige ist bereits ein Haftbefehl gegen Tom Bishop ergangen. Wahrscheinlich ist er bereits in Gewahrsam.“ Dana stand auf und reichte ihr die Hand. „Wir sehen uns in einer Stunde im Gericht. Alles wird gut.“
Noelle ergriff die Hand. „Kennen Sie Simon Baker?“
„Wen?“
„Ach, nichts. Ich dachte nur … Er hat mir in der ganzen Angelegenheit geholfen.“
„Ich bin auf ausdrücklichen Wunsch von Ms. Addyngton hier. Sie hatte einen wichtigen Termin. Keine Angst, Sie sind
Weitere Kostenlose Bücher