Noelles Demut
verschickt werden. In Gedanken versunken sah er in die kahle Galerie.
„Hast du schon was Neues geplant? War bei den Künstlermappen was Brauchbares dabei?“
Isabella spielte mit dem Ring an ihrem Finger. „Ich habe mir überlegt, John am Samstag noch mal zu fragen.“
„Du weißt, dass er das nicht will.“
„Und ich glaube, dass er in Zukunft nicht monatelang in Europa rumtingeln will.“
„Mir hat er erzählt, dass er es genossen hat. Wie kommst du darauf, dass er in New York bleibt?“
„Ann!“, sagte Isabella und hatte dabei etwas Triumphierendes in der Stimme.
Jesse fiel der Unterkiefer runter. „Seit wann?“
„Kurz nachdem er aus Paris zurückgekommen ist. Die Trennung hat ihnen gezeigt, wie sehr sie sich lieben.“
„Und woher weißt du das?“
„Ich war gestern mit Ann essen.“
„Und ich erfahre wieder mal alles als Letzter. Schöne Freunde sind das.“ Jesse vergrub schmollend seinen Kopf in einem Ordner.
„Und wenn es mit John nicht klappt, haben wir immer noch Clarissa O’Neil.“
„Die Gothicqueen? Ihre Bilder sind zu düster und aggressiv. Nach Pauls Fotos geht das nicht.“
„Ich finde sie schön, und eine subtile erotische Ausstrahlung haben sie auch.“
Jesse breitete die Hände aus, als wolle er ein Banner entrollen.
„Isabella Steen, die Erotikqueen!“
Er duckte sich, und der Kugelschreiber knallte gegen die Wand.
Isabella lachte. „Verdammt gute Reflexe, Mr. Wheeler. Die Erotikschiene läuft gut, und es macht mir zunehmend Spaß. Wir könnten mit der Illumination spielen, Schwarzlicht benutzen und eine düstere Atmosphäre schaffen. Was hältst du davon?“
„Keine schlechte Idee. Könnte durchaus interessant werden. Unter diesen Umständen würde ich mich damit anfreunden.“
„Vorausgesetzt, John lehnt ab.“
„Davon gehe ich nach wie vor aus. Übrigens hat heute Morgen dein Schneiderlein angerufen. Er hat sich beschwert, dass du dich wegen des Hochzeitskleides noch nicht gemeldet hast.“
„Meine Güte! Ich habe ihm doch gesagt, dass wir noch keinen Termin gefunden haben.“
„Scheint ihn nicht zu interessieren.“ Jesse lachte. „Er hätte fast nicht mit mir gesprochen. Ich konnte ihn zittern hören.“
„Es war gemein von dir, deinen Masterblick auf ihn loszulassen. Er hat sich so erschrocken, dass er kaum atmen konnte.“
„Ja“, seufzte Jesse. „Das war herrlich.“
Noelle grinste breit, als sie den Schlüssel fürs Penthouse entgegennahm.
„Seht euch in Ruhe um“, sagte Isabella. „Eventuelle Umbauten besprechen wir aber vorher.“
„Ich will gar nichts umbauen“, entgegnete Noelle. „Ich will so schnell wie möglich einziehen.“
Isabella warf Simon einen strengen Blick zu. „Sie kennt dich noch nicht gut genug. Mach keinen Blödsinn da oben. Was ihr möbeltechnisch nicht wollt, wird eine Spedition in den nächsten Tagen abholen.“
Simon grinste nur. Er hatte genaue Vorstellungen, was er umbauen wollte. Einem Einzug stand nichts im Weg. Der Raum, der ihm vorschwebte, war abgeteilt und würde den Rest der Wohnung nicht beeinträchtigen.
Noelle hüpfte mit den Schlüsseln in der Hand vergnügt vor ihm rum. „Ich freue mich so. Vielleicht können wir nächste Woche schon in unserer gemeinsamen Wohnung schlafen?“
„Das dürfte kein Problem werden.“ Simon hob grüßend die Hand, als sie das Wohnhaus betraten.
Der Hausverwalter kam auf sie zu und reichte Noelle die Hand. „Herzlich willkommen! Ms. Steen hat mir bereits gesagt, dass Sie die neuen Mieter des Penthouses sind. Ich bin Steven. Wenn Sie etwas brauchen, wenden Sie sich an mich.“
„Uhhh! Ist das alles aufregend“, flüsterte Noelle, als sie den Aufzug betraten. Sie war so aufgekratzt, dass sie Simons Kuss kaum erwiderte. Schmunzelnd nahm er es hin. Er liebte ihre kindliche Begeisterung.
In der Wohnung rannte sie von einem Zimmer zum nächsten, bis sie unbewegt in der Tür zum Atelier stehen blieb. „Das glaube ich jetzt nicht!“
„Was ist denn los?“, fragte Simon.
„Dein Bild!“
Mitten in dem ansonsten leeren Zimmer stand ein Stuhl und darauf Pauls Foto von Simon.
„Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wer es gekauft hat. Warum hat sie es hiergelassen?“
„Vielleicht hat sie doch ein Gewissen und will mit diesem Geschenk ihre Intrige wettmachen?“
Noelle drehte sich schwungvoll um und strahlte Simon an. „Das will ich im Schlafzimmer haben, gegenüber vom Bett.“
„Passt nicht zu meinen Bildern. Darüber müssen wir noch
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