Noelles Demut
Scheiß.“
„Kann ich dir was helfen?“, fragte Simon, wohl, um vom Thema abzulenken.
Noelle schob ihm ein Brettchen, ein Messer und zwei Zwiebeln über den Tresen.
„Ich hatte gehofft, dass du fragst. Ich hasse es, Zwiebeln zu schneiden. Bitte in dünne Scheiben.“
„Wird erledigt.“
Noelle spürte seinen Blick auf sich und versuchte, ihn so gut wie möglich zu ignorieren. Die Routine ihrer Arbeit gab ihr Sicherheit, und doch zitterten durch seine schiere Anwesenheit ihre Hände.
„Kochst du oft?“, zerriss seine Stimme die Stille.
„Ich bin Köchin. Meine Ausbildung habe ich im Hilton in Aspen gemacht. Dann war ich drei Jahre in Frankreich.“
„Warst du in Paris?“
„Nein, in Marseille. Eine wundervolle Stadt. Europa ist ganz anders.“
„Und warum bist du zurückgekommen?“
„Ich habe mich mit dem Chef nicht verstanden“, grinste Noelle. „Und die Stelle in Boston klang vielversprechend. Ich war dort Souschefin.“ Noelle stand mit vor Stolz geschwellter Brust vor ihm. „Kann ich die Zwiebeln haben?“
„Ähhh … Ja.“ Simon schnippelte die letzte Hälfte der Zwiebel und schniefte.
„Ich glaube, ich hasse Zwiebelschneiden auch.“
„Dann habe wir ja schon was gemeinsam.“ Noelle schüttete die Zwiebeln in eine zweite Pfanne. Ein wunderbarer Duft entfaltete sich in der Küche.
„Du bist weit herumgekommen. Willst du in New York bleiben?“
Noelle schielte über ihre Schulter. „Ein, zwei Gründe würden mir schon einfallen, warum ich bleiben könnte.“
Ihre Blicke hielten sich für Sekunden fest, und Noelles Herzschlag beschleunigte sich. Dass sie nach allem, was sie in letzter Zeit erlebt hatte, flirtend in der Küche ihrer Freundin stand, erschien ihr wie ein Wunder. Und dass Simon sie mit einem breiten Grinsen ansah, war das Unglaublichste überhaupt. Ja, sie hatte einen Grund, in New York zu bleiben.
„Warum warst du in Los Angeles?“, durchbrach Noelle das Schweigen.
„Ich habe mir ein Hotel angesehen.“
Klirrend fiel ihr der Löffel aus den zitternden Händen. Simon sprang auf, kam um die Theke herum und bückte sich. Gleichzeitig griffen sie nach dem Löffel. Noelle hob den Kopf. „Du willst weg?“
„Nein. Es wird umgebaut. Ich bin Architekt.“
Noch immer hielten sie beide den Löffel fest. Ihre Knie berührten sich.
„Dann wirst du viel unterwegs sein?“
„Eigentlich nicht. Ich … Ach, was soll’s. Ich male. Ich habe den Auftrag bekommen, zehn Bilder für die Suiten zu malen.“
„Du bist Künstler? Wie Paul?“
Simon erhob sich und zog sie mit sich. „Um Gottes willen, nein. Auf keinen Fall wie Paul. Malen ist eigentlich nur mein Hobby.“
Noelle sah, wie Simon krampfhaft schluckte. Sie stand ganz dicht vor ihm, und noch immer hielten sie sich an diesem blöden Löffel fest. Sie hatte das Verlangen, ihn zu küssen, konnte nur auf seine Lippen starren. Und auch sein Blick hing wie gebannt an ihren. In seinen Augen sah sie einen Hunger, der sie schwindlig machte. Täuschte sie sich, oder kam er ihr näher?
Wie aus weiter Ferne nahm Noelle einen Geruch wahr. „Mist!“ Sie wirbelte herum. „Jetzt sind die Zwiebeln angebrannt. Das ist mir seit der Ausbildung nicht mehr passiert.“
Sie hörte sein Lachen hinter sich. Mit eisiger Hand krallte sich das Geräusch in ihrem Nacken fest. Verängstigt fischte sie die verbrannten Zwiebeln aus der Pfanne. Ihr Herz raste. Sie bekam kaum Luft. Er würde durchdrehen. Wie hatte das nur passieren können? Bestimmt würde er sie gleich schlagen.
„Es tut mir leid. Ich hab’s gleich. Es wird trotzdem schmecken. Das macht gar nichts.“ Sie wusste, dass ihn das Flehen in ihrer Stimme nicht erweichen würde. Noelle zitterte so sehr, dass ihr der verdammte Löffel wieder auf den Boden fiel. Er stand ganz dicht hinter ihr. Sie spürte bereits seinen heißen Atem. Und dann legten sich seine Arme fest um sie.
Noelle konnte den Schrei nicht zurückhalten. Sie wusste, es würde in den nächsten Stunden nicht ihr Letzter gewesen sein. Nur, dass sich ihre nächsten Schreie nicht nur mit Angst mischen würden, sondern auch mit Schmerz.
Er drehte sie in seinen Armen zu sich um. Noelle konnte ihn nicht ansehen. Sie wollte diesen irren, kalten Blick nicht sehen! Nein! Oh Gott, nein.
Er nahm ihr die Luft mit seinen starken Armen, die sich um ihren Körper schlossen. Gleich würde er zudrücken. Wie in einem Schraubstock würde er sie in seiner Umarmung erdrücken.
Noelle brauchte eine Ewigkeit, bis sie
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