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Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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schämen, sich in Ketten zu zeigen, noch dazu in einer Kirche!«, brüllte der Kommissar hinauf.
    Keine Antwort.
    Hauptwachtmeister Naukkarinen war inzwischen auf dem Dach angelangt und packte Eemeli Toropainen von hinten an der Schulter, in der Hand den Trennschneider, dessen Kabel in das unten surrende Aggregat führte.
    Die Sümpfe von Sukeva sind ebenes Gelände, dort kann auch ein groß gewachsener Mann seinen Dienst versehen. Doch zwischen Himmel und Erde das Gesetz zu hüten ist weitaus schwieriger. Der tapfere Naukkarinen glitt aus, fiel mitsamt seinem Werkzeug aus luftiger Höhe hinab, schlug mit dumpfem Geräusch auf dem Dach des Schindellagers auf, von wo er mit ziemlichem Tempo an der künftigen Kanzel vorbei und über einen Balkenstapel hinweg auf das Friedhofsgelände sauste. Schenkelknochen gebrochen.
    Als man ihn auf eine Trage legte, richtete er einen erleichterten Kommentar an die Presse:
    »Jetzt wird man mir wohl die Frührente gewähren, und Sie bringen auch mein Foto in Ihrem Bericht? Das hoffe ich.«

6
    Nachdem der Polizeiheld Naukkarinen für die Zeitung fotografiert worden war, brachte man ihn ins Krankenhaus. Der Kommissar und der Wachtmeister sammelten ihre Geräte ein und verließen ebenfalls das Gelände. Bei der Abfahrt schwor der Kommissar, dass er wiederkommen werde. Die Pressevertreter machten Fotos von den gefesselten Zimmerleuten und riefen ihre Interviewfragen hinauf. Bald waren sie fertig und fuhren ab, und auch die neugierigen Dorfleute, die sich eingefunden hatten, gingen wieder an ihre Arbeit.
    Eemeli Toropainen konnte nicht wieder mit der Arbeit beginnen, denn er war mit seinen Männern immer noch an die Firstlatten der Kirche gekettet. Der Schlüssel lag im Magen des Gehilfen, und es würde einige Zeit dauern, ehe er wieder herauskäme und man die Vorhängeschlösser an den Ketten öffnen könnte. Frau Taina Korolainen mutmaßte, dass, gemäß des natürlichen Verdauungsrhythmus, mindestens ein Tag dafür eingerechnet werden müsse, falls der Gehilfe zu Verstopfung neige, vielleicht sogar mehrere Tage. Der Bursche errötete schamhaft.
    Einem Wartenden wird die Zeit lang, einem Angeketteten noch länger. Eemeli Toropainen war nicht an Tatenlosigkeit gewöhnt. Jetzt mussten er und seine Männer auf dem Dach der Kirche liegen und konnten nichts Ernsthaftes anfangen. Zum Zeitvertreib erzählten sie sich Witze, aber bald wurde es ihnen langweilig, und das Gespräch erstarb. Einer der Arbeiter fragte, ob Eemeli auch für diese Wartestunden Lohn zahlen würde. Der Mann fand, dass das Ausharren auf dem Dach der Kirche durchaus mit harter Arbeit zu vergleichen sei. Eemeli versprach es. Und falls jemandem diese Arbeit keinen Spaß mache, könne er gehen, erklärte er. Damit war das Thema beendet.
    Der Gehilfe kam auf die Idee, dass dies eigentlich eine gute Gelegenheit sei, Richtfest zu feiern. Die Kirche war buchstäblich aufgerichtet und alle Arbeiter beisammen. Man könne sogar Alkohol trinken, denn es bestehe keine Gefahr, dass jemand hinunterfalle.
    Warum nicht. Eemeli beauftragte Taina Korolainen, den Leuten in den umliegenden Häusern Bescheid zu sagen. Anschließend setzte Frau Korolainen einen Kessel mit Erbsensuppe auf und überprüfte die Getränkevorräte: Sie fand zwei Kästen Bier und ein paar Flaschen mit härteren Alkoholika.
    Gegen Abend konnte das Richtfest beginnen. Frau Taina Korolainen hängte den Kessel mit der Erbsensuppe in den Dachstuhl der Kirche und schaffte auch das Bier und den Schnaps hinauf. Beim Servieren war Genauigkeit gefragt, denn Taina musste über die Firstlatten balancieren, um zu jedem Festteilnehmer zu gelangen. Als alle versorgt waren, hieß Eemeli die Anwesenden in seinem eigenen Namen und im Namen der Asser-Toropainen-Stiftung herzlich willkommen.
    Die Gäste unten in der Kirche, etwa zwanzig Leute aus der näheren Umgebung, falteten die Hände und murmelten ein Tischgebet, schließlich beging man das Richtfest eines Gotteshauses.
    Dann ließen sich alle die Erbsensuppe schmecken. Taina Korolainens Kochkünste wurden mit einhelligem Lob bedacht. Auch das Bier war richtig temperiert, Taina hatte es vor dem Servieren im See gekühlt. Die Zimmerleute erzählten von früheren Richtfesten, die sie erlebt hatten. Sie hatten die Erbsensuppe schon in den Tiefen eines Zivilschutzbunkers, aber auch auf dem Betonfußboden eines Getreidesilos oder im Hochofen eines Stahlwerkes gegessen. Doch dies war das erste Mal, dass sie den Abschluss der Rohbauphase

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