Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
mir Spielchen zu spielen.« Sein Gesicht war rot angelaufen. Von wegen, sein ganzer Kopf war rot. »Jetzt ist definitiv Schluß. Ich kann genausogut mit einer Person weniger an Bord zurück an Land kommen. Ein tragischer Unfall, und Sie liegen auf dem Boden des Sees.« Er erhob sich von seinem Sitz. Der Hund stand unter ihm, direkt zwischen seinen Beinen. Zwei gegen einen.
»Ich nehme an, Sie haben eine Pistole«, sagte ich.
»Ich brauche keine Pistole. Und wissen Sie auch, warum?«
»Weil Sie ein total durchgeknallter Irrer sind?«
»Schon mal von Moo Duk Kwan gehört?«
»Na klar, mit Reis und gebratenem Ei … Es ist einfach köstlich.«
»Ein koreanischer Kampfsport. Ich habe ihn gelernt, als ich dort stationiert war.«
»Funktioniert das auch auf Schiffen?«
»Das werden Sie jetzt erleben. Stehen Sie auf!« Er nahm seine Pose ein, die linke Hand unten, die rechte zur Faust geballt. Den linken Fuß hob er leicht vom Boden, ohne Zweifel, um mich irgendwann mit einem Tritt restlos zu erledigen. Der Hund blieb auf allen vieren.
Ich stand nicht auf. Ich dachte mir, daß das das Allerletzte sei, was ich tun würde, mich auf die Füße stellen, die Pfoten hochnehmen, nur um mich dann von ihm halbieren zu lassen. Wenn ich hier sitzen bleibe, dachte ich mir, macht er zunächst mal gar nichts. Ich glaubte nicht, daß man ihm beigebracht hatte, jemand zu attackieren, der auf einem Deckstuhl saß.
»Stehen Sie auf! Was ist denn mit Ihnen los?«
»Ich versuche krampfhaft, nicht laut loszulachen.« Ruhig bleiben. So tun, als sei das alles ein Riesenwitz. Ihn aus der Fassung bringen. Ich griff nach meiner Bierflasche und nahm einen großen Schluck. Als ich sie in den kleinen Flaschenhalter an der Reling zurückstellte, betrachtete ich das kleine Regal darunter. Schwimmwesten. Ein Sitzkissen. Ein Feuerlöscher.
»McKnight, wenn Sie ein Mann sind, dann stehen Sie verdammt noch mal auf.« Der Hund reagierte auf die Feindseligkeit in der Stimme seines Herrn und begann wieder zu tänzeln und zu bellen.
»Wissen Sie, was Ihr verdammtes Problem ist, Vargas? Ihr Problem ist … mein Gott, passen Sie auf den Hund auf!«
Er blickte nach unten. Mehr brauchte ich nicht. Ich sprang aus dem Stuhl auf ihn los, und als er mit seinem Sidekick auf mich lostrat, warf ich mich zu Boden und riß ihm das hintere Bein weg. Bevor er wieder hochkam, griff ich nach dem Feuerlöscher und schlug ihm den auf den Kopf. Ich stellte mich über ihn, bereit, notfalls erneut zuzuschlagen. Der Hund wurde jetzt förmlich tollwütig, sprang mich mit Feuer in den kleinen Insektenaugen an und versuchte mir die Kniescheiben wegzubeißen.
»In zwei Sekunden bist du Fischfutter, Hund. Aus dem Weg, verdammt noch mal.«
Ich nahm mir ein Stück Leine und band Vargas die Hände auf den Rücken. Auf seiner Stirn schwoll schon eine mächtige Beule. Einen bangen Moment lang befürchtete ich schon, zu hart zugeschlagen zu haben, aber dann begann er, wieder zu sich zu kommen. Ich richtete ihn halb auf, lehnte ihn gegen die Kajütentür und setzte mich auf den Kapitänssitz, schob den Gashebel nach vorn und hätte beinahe das Boot zum Kentern gebracht. Das setzte den Hund wieder in Marsch. Ich mußte ihn mehrfach zur Seite treten, während ich das Gas gemäßigter betätigte und in vernünftigem Tempo Richtung Ufer fuhr.
»Was zum Scheiß …« sagte Vargas und schüttelte seinen Kopf. Die Beule würde fürchterlich aussehen, das sah man jetzt schon. Kein schöner Anblick bei einem Kahlkopf.
»Ganz ruhig, Vargas. Wir sind auf dem Weg nach Hause.«
»Verdammt, ich hätte wissen müssen, daß Sie nur miese Tricks beherrschen.«
»Vargas, Sie sind es gewesen, der mich hierhin gebracht und mir gedroht hat, mich auf dem Seeboden zurückzulassen. Das gibt mir doch wohl das Recht, unfair zu kämpfen.«
»Das wird Ihnen noch verdammt leid tun.«
Ich gab dem Ruder einen scharfen Ruck, und Vargas überschlug sich fast.
»Tut mir leid«, sagte ich. »So ein Boot habe ich noch nie gefahren. Am besten halten Sie einfach das Maul und lenken mich nicht ab.«
Er richtete sich mit Mühe wieder auf und saß den Rest des Weges nur da und starrte mich an, als wollte er sich jedes Detail für immer einprägen. Als ich die Mündung des St. Marys River erreichte, wurde mir klar,, daß ich nicht die geringste Lust hatte, das Boot den ganzen Weg bis zur Marina zurückzubringen, das mit den Schleusen zu regeln und zehn Minuten zu warten, während die Leute auf der
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