Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
ein neues Faß anschließen.«
Ich sah zu seinem Sohn hinüber. Der zuckte nur mit den Schultern.
Zwei Minuten später war Jackie wieder da. »Tut mir leid, Alex«, sagte er. »Ich sollte das nicht an dir auslassen.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Wenn du aber darüber sprechen willst …«
»Das will ich in der Tat. In ein paar Tagen. Ist das in Ordnung? Gib mir ein paar Tage.«
»Ganz wie du willst, Jackie. Ich werde da sein.«
Er lächelte zum ersten Mal, seit ich die Kneipe betreten hatte. »Allerdings«, sagte er. » Ich glaube nicht, daß ich Probleme haben werde, dich zu finden.«
Zwei Stunden später ging ich, nachdem ich die Zeitung und noch ein oder zwei kalte Kanadische hinter mir hatte. Statt in meine Straße abzubiegen, fuhr ich weiter nach Norden, die ganze Strecke bis zur Spitze von Whitefish Point. Ich stieg aus und ging am Shipwreck Museum vorbei bis zum Strand. Hier gab es richtigen Sand, ganz anders als die felsigen Küsten, die sonst hier am See vorherrschten. Ich ging nach Westen und hob im Gehen Treibholz auf. Die Brandung schlug gegen den Sand. Die Sonne ging unter und zog für mich ihre Show ab. Das war die richtige Art und Weise, den Tag zu beenden.
Als ich zu meiner Hütte zurückgekommen war, blieb ich in der Tür stehen und versuchte herauszufinden, was nicht stimmte. Nichts fehlte. Nichts stand ganz woanders, als es sollte. Und doch wußte ich irgendwie, es war jemand hiergewesen.
Ich untersuchte die Tür. Kein Zeichen für ein gewaltsames Öffnen. Ich sah nach den Fenstern und fand zwei, die unverschlossen waren und offenstanden. Ich ließ sie in der Sommerzeit immer offen und verschwendete keinen Gedanken an Eindringlinge in der gottverdammten Einöde hier in den Wäldern.
Ich ging im Zimmer auf und ab und versuchte es herauszufinden. Wenn nichts gestohlen worden war und ich vor allem nichts zum Stehlen hatte … Wenn nichts zerstört oder auch nur von seinem Platz gerückt war … Dann hatte jemand etwas gesucht. Und hatte es offensichtlich nicht gefunden. Sofern überhaupt etwas geschehen war. Sofern ich nicht überhaupt unter Verfolgungswahn litt nach dem seltsamen Tag, den ich hinter mir hatte …
Vargas. Konnte er jemanden geschickt haben, um meine Hütte zu durchsuchen, während ich mit ihm draußen auf dem See war? Zuzutrauen wäre es ihm.
»Oh, Leon«, sagte ich plötzlich laut. »Das warst doch nicht etwa du, oder?«
Ich wählte seine Nummer. Ich schuldete seiner Frau sowieso noch einen Anruf. Als sie abnahm, fiel mir ein, daß ich ihr nicht viel über mein Treffen mit Vargas erzählen konnte – wir waren gar nicht dazu gekommen, über Leon zu sprechen.
»Ist er daheim?« fragte ich.
»Nein, er ist nicht hier. Ich weiß nicht, wo er ist.«
»War er den ganzen Tag weg?«
»Ja, seit heute morgen. Er ist in schwärzester Stimmung aus dem Haus gegangen, Alex. So habe ich ihn noch nie erlebt. Ich habe immer gedacht, daß er dieses Dingsda mit dem Privatdetektiv eigentlich lieben müßte.«
»Sagen Sie ihm, er soll mich anrufen. Sobald er nach Hause kommt, egal wie spät es ist.«
Sie versprach es zu tun und wünschte mir eine gute Nacht.
Leon rief nicht an.
Am nächsten Morgen machte ich Gymnastik auf meinem harten Hüttenboden, Liegestütze, Sit-ups, alles, was mir einfiel. Dann ging ich nach draußen und lief meine Straße runter, bis zum Ende und dann wieder zurück. Ich war froh, daß es sich um einen aufgegebenen alten Holzweg handelte, wo niemand unterwegs war, der hätte sehen können, daß ich die letzten paar hundert Meter gegangen bin. Ich ging nach drinnen und duschte. Dann fuhr ich zu Jackies Kneipe.
Sobald ich die Hauptstraße erreicht hatte, sah ich die Streifenwagen. Je näher ich kam, desto mehr davon sah ich. Sie parkten alle auf Jackies Parkplatz. Vielleicht zehn, vielleicht auch zwölf. Ich war nicht imstande zu zählen. Ich konnte kaum denken.
Ich hielt am Straßenrand an, direkt an der Einfahrt zu seinem Grundstück. Ich stieg aus und ging zur Vordertür der Kneipe. Ich sah Streifenwagen vom Soo auf der einen, vom Staat Michigan auf der anderen Seite. Ich war drei Meter von der Tür entfernt, als ein Staatspolizist mir direkt in den Weg trat. Er hob die Hände, als ob er mich einfangen müßte.
»Das Gebäude ist gesperrt, Sir. Sie müssen zurücktreten.«
»Was ist passiert?« fragte ich.
»Bitte, Sir. Niemand darf das Grundstück betreten. Sie müssen es wieder verlassen.«
»Sagen Sie mir, was hier vor sich geht? Wo
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