Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
widerlicher Mensch. »Der Begriff kommt von kaltem Fieber und ist sehr kraftvoll, man kann ihn richtig rausschreien.« »Lötschendötsch« und »Dötschemann« bedeuten beide Idiot oder Blödmann. »Das ist einer, der mir mit Absicht auf die Füße tritt. Das Wort ist lautmalerisch und klingt einfach schön.«
Das Ö wie in »Nörgeln« scheint sich besonders fürs Schimpfen und Jammern zu eignen. »Auf Krefelder Platt heißt es beispielsweise nicht ›Räuber‹ sondern ›Fiese Möpp‹«, sagte Heinz Webers. »Für ein Kleinkind ist ›Möppke‹ allerdings ein Kosewort – ein ganz liebenswürdiges Menschlein. ›Ach, wat es dat en lecker Möppke.‹ Und der alte Mann, der sich nur ganz selten bei seiner Frau einmal bedankt und sich über alles beklagt, das ist ein ›Knötterer‹. Und wenn er in den Bart knurrt, das ist ›Pröttele‹.«
»Es gibt da diesen Witz«, erzählte Eber. »Wie bringt man einen Oberpfälzer zum Bellen? Man sagt: ›Da drüben gibt’s Freibier‹, und der Oberpfälzer fragt: ›Wou, wou, wou?‹.«
Wer auf Bayerisch schimpfen will, muss dagegen erst einmal eine spezielle Grammatik verinnerlichen, die es nur im Bayerischen und im Österreichischen gibt: die »Komma-du-elender«-Regel.
»Mein Lieblingsschimpfwort ist männlich: ›Voidepp‹, und zwar verbunden mit einem ›du saubläda‹«, erläuterte der bayerische Humorist und Grantler Rupert Frank. »Warum man immer das ›du‹ und ein Adjektiv wie ›bläd‹ etc. hinzusetzen muss, kann ich auch nicht sagen. Das bringt noch mal eine Verstärkung, das tut gut. Wenn mir ein Fehler unterlaufen ist, sage ich, so ein Mist, so ein blöder. Wenn ich eine Verpackung aufmachen will und kriege sie nicht auf: ›So a Glump, so a varreckts‹ (Gerümpel, verrecktes). Wenn man sich über Norddeutsche aufregt, heißt es: ›Du bläda Hund, du preissischer.‹«
Mundarten haben auch keine Angst vor dem Vorwurf des Sexismus. Im Gegenteil, ein Mundart-Wortschatz ist erst dann vollständig, wenn ein Sprecher über Männer beziehungsweise Frauen herziehen kann wie ein Wikinger über ein Nonnenkloster.
»Mein persönliches Lieblingsschimpfwort ist ›Dollbohrer‹« (von toll und Bohrer), sagte Keil. »Es wird eher für das männliche Geschlecht verwendet. Gemeint ist eine ungeschickte und beschränkte Person. Ich benutze es, wenn ich auf Rheinhessisch über jemanden schimpfen muss. Für Frauen gilt eher ›Dunsel‹, das kommt aus dem Französischen Donzelle , also launisches Frauenzimmer.«
Im Bayerischen ist eine Frau oft eine ›Bisgurn‹ – eine bissige Stute – wenn nicht gar eine ›bläde Hena‹. Erst wenn sie älter wird, mutiert sie vom Tier zum Gefährt: Eine ältere Dame ist eine ›oide Schäsn‹ – ein alter Handwagen. Ein Mann dagegen ist öfters mal ein ›Zipfe, bläde‹ – und Männer wie Frauen können durch einen kleidungstechnischen Fehltritt leicht zum Pfingstochsen mutieren. »Man hat damals zu Pfingsten einen kastrierten Stier mit Strohblumen und Bänden geschmückt«, erklärte Barbara Lexa. »Heute, wenn ein Nicht-Bayer mal in einer Tracht ankommt und die Lederhose hat die falsche Farbe, die Socken haben das falsche Muster, und den falschen Hut hat er auch auf, oder die Frau denkt, sie trägt ein Dirndl, es ist aber kein echtes, da sagt man, ›schau den an, er kommt daher wie ein Pfingstochs‹.«
Auch das Kurpfälzische macht eine klare Trennung zwischen den Geschlechtern, so Charly Weibel, Lexikograph des Reilinger Mundart Online-Lexikons und Experte im Mundartschimpfen aus der baden-württembergischen Region um Heidelberg und Mannheim. »Rindsbeidel« (Rindsbeutel) zum Beispiel gilt nur für den Herrn, während »Schnall« beziehungsweise »Schnepf« für die Dame reserviert ist. »Eine ungepflegte Frau nennt man eine ›Babbschachtel‹«, sagt Weibel. »Das ist eine Schlampe, wobei in Mundart der Begriff nicht sexuell gemeint ist . Er bezeichnet eher eine Frau, die in ihrer Erscheinung schlampig ist, aber auch unzugänglich.«
Irgendwie, auf unerklärliche Weise, hat die Mundart es geschafft, gleichzeitig abfällig, brachial, derb, beleidigend, frauenfeindlich, männerfeindlich, ausländerfeindlich, hochdeutschfeindlich, zugezogenenfeindlich, bauernfeindlich, rückständig und ignorant zu sein – und trotzdem charmant. Der Mundart verzeihen wir alles.
»Eine Mundart ist lustiger. Und nicht so hart«, meinte Weibel. »Das ist der große Vorteil der Mundart, weil es nicht so direkt ist. Das
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