Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
die unbeliebteste Mundart Deutschlands. Vermutlich ist es auch die unbeliebteste Mundart Sachsens. »Der Sachse selber liebt seine Mundart nicht unbedingt«, enthüllte mir Barbara Petzold, Leiterin des Leipziger Mundart-Kabaretts »De Fischelanden Gaffeedanden«, »was ich sehr traurig finde«.
Es ist auch traurig, denn wer sich ärgert oder auch so schimpfen will, ist mit Sächsisch bestens bedient. »Ich bin wütend« heißt zum Beispiel, »ich habe Schdinggche«.
»Wenn eine Frau etwas, sagen wir mal, redselig ist, dann ist sie eine »Gwasselresse««, sagte die Gaffeedande. »Und ein dummes Frauenzimmer ist eine ›Glabsresse‹. Andererseits kann ein Mann ein ›Zwiggl‹ sein, wenn er albern ist, oder ein ›Griehwahdsch‹, wenn er klein ist, oder wenn er friert, dann ist er ein ›Frosdhugge‹ – weil er seine Schulter hochzieht und es aussieht, als ob er eine Buckel hat – ein ›Hugge‹.«
»Das Schöne am Sächsischen ist, man kann alles kürzer, prägnanter ausdrücken«, meinte Conny Kretschmar, deren Mundart-Glossar auf ihrer »Echte Leipziger«-Website sie als handfeste Ningel-Expertin ausweist. »Wenn ich sage, ›Sie brauchen nicht beleidigt zu sein, nun machen Sie sich keinen Kopf‹, dann versuche ich Sie mit vielen Worten zu überreden, und je mehr Wörter es sind, desto unglaubwürdiger ist es. Aber wenn ich sage, ›sei keine Fläbbe‹, bringt es das auf den Punkt und das auch noch charmant.«
Das gilt für die meisten Mundarten: Hier findet sich schnell das geeignete Schimpfwort, wo man auf Hochdeutsch lange um den heißen Brei herumreden müsste.
In Harzer Platt müssen oft ganze Berufszweige dran glauben. Ein »Kallfakter« ist eine leitende Persönlichkeit in der Industrie, erklärte Manfred Heyder vom Heimatverein Benneckenstein, »und einer, der angibt, etwas zu wissen, aber in Wirklichkeit nichts dergleichen weiß. Und ein ›Prillekenschieter‹ ist abgeleitet von einem Bäcker, der seine Pfannkuchen zu klein macht, das wird aber heute auf geizige Leute angewandt.« Wer nur dummes Zeug redet, ist in Harzer Platt ein »Quadderballich«, und wer mit nichts zufrieden ist, ist ein »Mutteljorrich« oder gar ein »Muttelheinrich«. Es gibt sogar Schimpfworte für verlauste Pantoffel und für Päpste, die sich albern verhalten: »Lusetoffel« und »allewarner Pawest«.
»Mein Sohn versteht Oberpfälzisch, spricht aber nur Hochdeutsch«, bedauerte Stefan Eber aus der Oberpfalz, Autor des Mundartlexikons auf »eber-online«. »Finde ich ein bisschen schade. Wenn ich mit ihm schimpfen muss, kann ich nur oberpfälzisch schimpfen. Auf Hochdeutsch kriege ich den richtigen Ton nicht hin.«
Die Oberpfälzer unterscheidet zwischen dem »Nisserer« (unablässiger Motzer mit weinerlichem Unterton), dem »Goscherer« (ein Polterer), dem »Grantlhauer« (chronisch Unzufriedener), dem »Lammendierer« (Jammerer) und dem Nörgler, der immer widersprechen oder das letzte Wort haben muss – dem »Noumaaler« (Nachmauler).
»Alle Saarländer neigen zum Nörgeln. Wieso, weiß kein Mensch«, sagte Paul Glass aus Fichtenberg am Telefon, Mundartexperte für die saarländische Mundart Ensheimer Platt und Autor des Ensheimer Online-Lexikons . »Mein Lieblingswort für Nörgeln ist ›grammäddschele‹, das ist so ein unausstehliches Quengeln. Wenn man mit dem Essen nicht zufrieden ist, wenn das Wetter nicht so ist, wie man’s gern hätte oder wenn man einen Film ansieht, und er gefällt einem nicht, am liebsten wurde man den Fernseher ausschalten, aber stattdessen schaut man weiter und ›grammäddschelt‹ dabei. In der Kneipe gibt’s nichts Schöneres als an der Theke zu stehen und über alles zu ›grammäddscheln‹. Wir können sogar nörgeln, ohne etwas zu sagen: Man verzieht die Mundwinkel, zieht die Augenbrauen hoch, macht ein mürrisches Gesicht. Meine Frau, die nicht aus dem Saarland kommt, nennt mich dann immer ›du waschechter Saarländer‹. Eine Frau, die das macht, nennt man eine ›Flännschegreed‹ – wobei ›greed‹ von ›Margarete‹ kommt. Wir können sogar nörgeln, wenn wir höflich sein sollen, stellen Sie sich das vor. Der Ausdruck ›joo!‹ heißt eigentlich ›ja‹, aber wenn die Frau fragt, ob das Essen geschmeckt hat, und es hat nicht geschmeckt, da sagt man ›joo‹, – und unterstreicht das mit einem leicht genervt wirkenden Tonfall.«
Nicht nur die Vielfalt macht Mundartnörgeln so erfreulich. Mundart hat einen weiteren, überzeugenden Vorteil: Während
Weitere Kostenlose Bücher