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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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immer ihren Senf dazugeben und die Ruhe wird gestört. Das Alteingesessene und die Gewohnheiten, all das wird dadurch gestört.«
    »Ach, ich weiß noch gut, wie ich vor vielen Jahren von Berlin nach Bayern kam«, erinnerte sich der kritische Geist und Fernsehautor Frederick C. am Telefon aus seiner Wahlheimat München, mit einer gewissen Nostalgie in der Stimme. »Am ersten Morgen ging ich in die Bäckerei und habe ein Brötchen bestellt, und die Bäckerin hat mich angeschnauzt, als ob ich auf das Foto von Franz Josef Strauß getreten sei: ›Das heißt Semmel, du Preiß, du damischer!‹ Ich war fünfzehn. Ich bin mit Tränen in den Augen rausgestürmt.«
    Doch das Schönste an der Welt der Mundart ist, dass sie einem ermöglicht, seine Mitmenschen bis zum Gehtnichtmehr zu beleidigen, ohne sich hinterher schämen zu müssen.
    »In den Mundarten gibt es eine riesige Auswahl an Schimpfwörtern, die ganz gezielt in ganz bestimmten Situationen einzusetzen sind«, sagte Albeck.
    Während es im Hochdeutschen nicht erlaubt ist, behinderte Menschen zu verspotten, gibt es in den Mundarten sogar spezielle Begriffe dafür. Ein Mann, der zurückgeblieben ist und sich nicht viel zutraut, ist im Schwäbischen ein ›Häfelesscheißer‹: ein Kleinkind, das noch in den Nachttopf macht. Dann gibt es den Mann, der noch am Rockzipfel der Mutter hängt: Das ist ein ›Fiedleshänger‹ oder eine ›Mamasuggele‹. Ein eher ungebildeter Mann ist ein ›Hutsimpel‹, während ein einfaches Gemüt ›Dädschkappa‹ heißt. Andererseits kriegt auch der gebildeter Mann sein Fett weg: ›i-Düpfelesscheißer‹ ist einer, der alles besser weiß.
    Auch das Bayerische liebt es, die Dinge beim Namen zu nennen.
    »Es gibt in Bayern drei verschiedene Begriffe«, erklärte Eber: »›Das issa Sau‹, da meint man einen Menschen, der sich wie ein Schwein aufführt. ›Das issa Hund‹: Das ist ein verstärktes Kompliment, ein bisschen negativ, aber mit Hochachtung. Ein ›Hund‹ ist ein cleverer Kerl. Wenn einer mein Online-Lexikon durchschaut und sagt, das ist ein ›Hund‹, dann weiß ich, ich hab’s gut gemacht. Dann gibt’s die Steigerung: ›Das issa Sauhund.‹ Das ist wirklich eine ganz respektvolle Bezeichnung. Aber da ist auch schon ein bisschen was Negatives dabei: zum Beispiel so ein cleverer Banker, der die Welt um Millionen beschissen hat. Franz Josef Strauß war ein typisches Beispiel für einen ›Sauhund‹.«
    Will ein Mundartsprecher auf Hochdeutsch schimpfen, führt das nicht immer zu Erfolg.
    »In Mundart gibt es mehr Nuancen, als man schimpfen kann«, so Eber. »Ich versuche Hochdeutsch zu schimpfen, aber ich übersetze nur Mundartbegriffe ins Hochdeutsche, und es hört sich nicht echt an, und der andere muss lachen, und ich muss lachen, und es gelingt mir einfach nicht.«
    »Man kann viel mehr Böses sagen, ohne dass es als schlimm empfunden wird«, meinte auch Heinz Webers, ehemaliger Krefelder, städtischer Beamter und Herausgeber eines Mundart-Wörterbuchs aus Krefeld. »›Hüür op, do alden Doll‹, (Hör auf, du alter Verrückter) – also, auf Hochdeutsch ist das ein Grund, zum Schiedsmann zu gehen. Aber auf Platt ist es fast eine Belobigung. Auch schön: ›He es am Jraase wie ene röesijen Honk‹. Auf Hochdeutsch: Er quengelt wie ein aufgeregter Hund«.
    »Mundart ist schon witziger als hochdeutsch«, sagte Paul Glass, »aber nur, wenn es Absicht ist. Wenn jemand einen anderen schimpft, ›oh du Pinnsa und Aäänsa, härr doch uff‹ (Du wehleidiger Jammerer und Winseler, hör doch auf), kann es sein, dass es die Situation auflöst und beide darüber lachen, allein durch den Ausdruck.«
    »Wenn ich auf Hochdeutsch im Durchschnitt zehn Schimpfwörter benutze, dann benutze ich auf Kölsch bestimmt fünfzig«, bestätigte Alice Herrwegen von der Akademie för uns kölsche Sproch in Köln. »Ich schimpfe aber selten auf Hochdeutsch – wenn man Mundartsprecher ist, wechselt man dann automatisch vom Hochdeutschen in Mundart, wenn man dann schimpfen will.«
    Unter Herrwegens Lieblingsschimpfwörtern befinden sich »Freese«, »Lötschendötsch« und »Dötschemann«. »Kölsch ist sehr extrovertiert«, so Herrwegen. »Sehr plastisch. Es arbeitet viel mit Bildern, auch mit ungewöhnlichen. Eine kleine Person ist zum Beispiel ein ›Föttchen-an-der-Ääd‹ – die trägt ihren Hintern an der Erde; und Männer, die gern Frauen betätscheln, sind ›Föttchesföhler‹.« Ein ›Freese‹ ist ein Ekel, ein

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