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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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nimmt dem Ganzen die Spitze. Mundart neigt dazu, nur anzudeuten.«
    »Das Bayerische klingt härter als das Hochdeutsche, ist aber nicht so böse gemeint«, sagte Frank. »Als Bayer weiß ich, wenn Sie auf Hochdeutsch zu mir ›Blöder Hund‹ sagen, dann ist das ernst gemeint. Wenn ich meinem Sohn sage, ›Du benimmst dich wie ein Aff‹, dann ist es nicht so schlimm.«
    Doch muss man sich fragen, ob eine Mundart wirklich so lustig ist, wie sie sich anhört. Es kann sein, dass sie nur so tut, damit keiner erkennt, was wirklich los ist.
    »Ich bin mit Platt groß geworden«, schimpfte Gerd Spiekermann, Radio-Redakteur bei NDR 90,3 in Hamburg, »und wenn die Leute aufeinander sauer waren, dann schimpften sie los, und bei denen, die es betraf, kam das aber genauso an wie auf Hochdeutsch. Wenn Ehepaare sich streiten, wenn da bestimmte Beleidigungen fallen, das trifft.«
    »Können Sie mir ein Beispiel geben?«, fragte ich und freute mich schon.
    »Wir hatten mal Nachbarn, die stritten sich sehr laut: Sie nannte ihn einen ›Suupsack‹. Ein ›Saufsack‹ ist schlimmer als ein ›Säufer‹. Da nannte er sie eine ›Zeeg‹, eine Ziege und einen ›Hungerhoken‹. Sie war mager. Dann ging er unter die Gürtellinie: ›Olle Kutt‹ – wir würden sagen ›alte Fotze‹. Das ist nicht niedlich, das ist genauso ein Tabuwort wie bei uns. Sie gab es natürlich zurück. Ganz gemein und fies ist ›Pöselborg‹ – ›Borg‹ ist ein kastrierter Eber und ›Pösel‹ ist Pimmel – das ist also jemand, der impotent ist.«
    Spiekermann ist niederdeutscher Mundartautor von Büchern wie Allens Logen !, und er meint, dieses Image, das Mundart habe, dass sie so volkstümlich sei, lustig, niedlich und harmlos, sei eine typische Haltung bei Menschen, die selber keine Mundart mehr sprechen. »Man redet die Mundart schön«, grummelte er. »›Ach schade, dass ich das nicht mehr kann‹. Ich mag die Euphemisierung von Mundart nicht. Ich bin Autor, und ich will nicht in einer Sprache schreiben, der dieser Stempel aufgedrückt wird: ›Och, das ist alles nicht so schlimm.‹ Ich will nicht in einer Sprache arbeiten, die nur noch niedlich ist.«
    »Auf Kölsch zu schimpfen ist schon ernsthaft gemeint, aber für andere klingt es einfach weniger ernst«, meinte Alice Herrwegen. »Es kommt vor, dass Leute in Köln bei der Polizei anrufen und wissen wollen, ob dies oder jenes ein Schimpfwort ist, um klarzustellen, ob sie gerade beleidigt wurden oder nicht. Und dann ruft die Polizei bei uns in der Akademie för uns kölsche Sproch an und fragt uns. ›Aal Määl‹ zum Beispiel heißt ›alte Amsel‹ und stammt aus dem Französischen le merle . Die Polizei wollte wissen, ist das nun eine Beleidigungsklage wert oder nicht. Natürlich war es ein Schimpfwort, aber dem Polizisten sagte ich, es sei keines.«
    Einer Mundart kann man unterstellen, sie sei politisch unkorrekt – oder man kann sie als die höhere Sprachkunst bewundern, denn was Witz, Poesie und Lautmalerei angeht, kann Hochdeutsch mit einer Mundart nicht mithalten.
    Schon von der Klangfarbe her hat Mundart Humor. »Wenn man nörgelt, sagt man: ›fixefeierdunnerwedda‹«, sagt Weibel. »Es hat keine Bedeutung. Es ist, wie wenn der Blitz eingeschlagen ist, und man sagt ›sakrade‹. Warum sagt man das? Es hat keine Bedeutung, man sagt es halt. Man mag, wie es sich anhört.«
    Bisweilen beobachtet man sogar etwas, was man nur als Dadaismus bezeichnen kann.
    Zu den besten Möglichkeiten, einen Kölner zu informieren, er sei ein Idiot, zählen so seltsame Sprüche wie »do schääl Pann Ääpel« und »do fuule Kis«: Du schielende Pfannenkartoffel beziehungsweise Du fauler Käse.
    Ähnlich skurrile Beispiele gibt es aus dem Sächsischen. Da bedeutet »Geh auf dem Mond Gras rupfen«, man solle bitte hier verschwinden, und »Du verblühtes Radieschen« ist irgendwie ein Schimpfwort, aber wo ist der Stachel?
    Als Kind zu Hause in Ebendorf, erinnerte sich Eber, wenn er sich langweilte und nicht wusste, was er mit sich anfangen sollte, empfahl ihm die Mutter: ›D’schnäggen aaf d’schwanz’ schlong dass niad nissern‹ – Geh den Schnecken auf den Schwanz schlagen, damit sie nicht nörgeln.
    Er wusste, was gemeint war. Auf Hochdeutsch allerdings, fürchte ich, haben diese Hinweise nicht den gleichen Effekt.

    Doch was wäre eine Abhandlung über deutsches Nörgeln wenn man die jüngste der ehrwürdigen deutschen Mundarten aussparen würde, Türkisch natürlich?

5 . Tadeln

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