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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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überirdische Aura; ihm traut man besondere mentale Kräfte zu, bei ihm hat man das Gefühl: »Hier bin ich in guten Händen.« Der Nörgelprofi ist der Schamane von heute.
    Es ist gar nicht so schwer, in dieser Liga mitzuspielen. Auch Sie können das. Sie brauchen nur ein paar wichtige Schritte zu beachten.
    Momentan sind Sie vielleicht bloß ein kleiner Wurm ohne jedes Selbstvertrauen, aber wenn Sie erst einmal Nörgelprofi sind, steht Ihnen die Welt offen. Denken Sie nur an die Basketball- und Football-Spieler aus den schwarzen amerikanischen Ghettos: Für sie ist Sport ein Weg aus dem Elend. Genauso ist es mit den Nörgelprofis, die aus ihrem tristen Alltag heraus nach Ruhm streben. Auch wenn der Ruhm sich bereits eingestellt, der neue Star aber seinen Lebenswandel aus dem Ghetto noch nicht abgelegt hat, finden sich erstaunliche Parallelen. Zum Beispiel im Fall des großen Tadelexperten Michel Friedman, der in seinem früheren, unbekannten Leben nichts weiter war als ein Anwalt. Doch scheinbar konnte er einige schlechte Gewohnheiten, die er sich wohl zugelegt hatte, als er noch mit anderen Anwälten herumlungerte, als Promi nicht mehr ablegen und wurde wegen Kokainkonsums und seiner Besuche bei einem Prostitutionsring von der Presse arg gebeutelt. Doch lassen Sie sich von solchen Nebensächlichkeiten nicht abschrecken, es lohnt sich trotzdem.
    Fangen Sie klein an, gleich im Bekanntenkreis. Sie können sich am besten als Nörgelprofi profilieren, indem Sie ständig beweisen, dass ihre Freunde und Bekannte intellektuell auf einer niedrigeren Stufe stehen. Auf diese Weise werden Sie zwar ein bisschen unangenehm auffallen, aber keine Sorge, das wird man Ihnen schon verzeihen. Denn wenn Sie erst weit und breit als Quengelmeister bekannt sind, können Sie von den großen Feuilletons entdeckt werden, und wenn das passiert, werden Ihre Freunde damit angeben wollen, dass Sie sie damals als Erste kleingemacht haben.
    Folgende Situationen eignen sich besonders gut für eine spontane Nörgelei:
Ihr Freund Dietmar schlägt einen gemeinsamen Kinobesuch vor, zum Beispiel Avatar .
Ihr Chef erwähnt beiläufig ein Buch, das er gerade liest.
Sie bemerken, dass Steffi, auf die Sie scharf sind, eine neue Frisur trägt.
    Nun schlägt Ihre Stunde.
    Auf den Vorschlag, in Avatar zu gehen, sagen Sie: »Na gut, wenn’s sein muss, aber normalerweise schaue ich mir so’n Kitsch nicht an.«
    Egal, welches Buch Ihr Chef liest, erwidern Sie wie aus der Pistole geschossen: »Das fand ich eigentlich ziemlich anspruchslos .«
    Machen Sie der Dame Ihrer Träume – der mit der neuen Friseur – gleich ein Kompliment: »Sie sind heute aber wieder das reinste Klischee an Weiblichkeit.«
    Merken Sie sich für den Anfang diese Begriffe: Kitsch , Anspruch , Klischee . Sie besitzen eine unheimliche Kraft, die jeden, der sie anzuwenden weiß, zum Nörgelprofi adelt. Im Moment des Mäkelns gibt es keine gesellschaftlichen Schranken mehr, der Mäkler steht einfach über anderen Menschen. Denn diese Formeln sind so mächtig, dass es faktisch ohne Belang ist, wie und wann man sie verwendet. Alles kann Kitsch sein – es braucht nur einen mutigen Streiter, der es Kitsch nennt. Vergleichen Sie die beiden folgenden Sätze:
»Kann sein, dass Avatar einfach gute Laune macht, trotzdem: Kitsch bleibt Kitsch .«
»Kann sein, dass das neue Werk von Wim Wenders einfach gute Laune macht, trotzdem: Kitsch bleibt Kitsch .«
    Fazit: Ob es sich nun um Hollywood-Trash oder ein anerkanntes Kulturmeisterstück handelt, der Nörgler scheint immer einfach mehr zu wissen, und das nur, weil er das richtige Vokabular beherrscht. Das können Sie auch!
    Die Erfindung des Begriffs Anspruch ist nichts weniger als ein Geniestreich, wie man ihn vom Land der Dichter und Denker erwarten darf. Kaum eine andere Bezeichnung eignet sich so trefflich, einen Mitmenschen intellektuell herabzusetzen. Sätze wie »dein neuer Freund ist wohl nicht gerade anspruchsvoll« haben zwar nicht wirklich eine Bedeutung, dennoch machen sie den Angesprochenen dermaßen klein, dass er meist nichts darauf erwidern kann.
    Leider wird Anspruch nicht immer voll ausgeschöpft. Warum soll der aufstrebende Stichler bei der einfachen Feststellung seiner kulturellen Überlegenheit stehen bleiben, wenn er gleich fortfahren und aus dem Angenörgelten Kleinholz machen kann? Zum Beispiel: »Na, du, ich hätte eine bessere Idee, wir lassen den Kitschfilm sausen und gehen gleich zu mir nach Hause, obwohl ich schon sagen

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