Nora Roberts
einfach einen Terminplan ein wenig verändern muß, damit es zu einer gerechten Aufgabenverteilung kommt. Es geht darum, daß ich mein ganzes bisheriges Leben aufgeben soll. Für dich verändert sich nichts, für mich aber alles. Das ist einfach zuviel verlangt.«
»Wir sind füreinander bestimmt, auch wenn du bewußt die Augen vor dieser Tatsache verschließt.«
»Träume und Gespenster und rastlose Geister interessieren mich nicht. Hier geht es um mich, um einen Menschen aus Fleisch und Blut«, sagte sie in dem verzweifelten Bedürfnis, wenigstens sich selbst zu überzeugen, wenn schon nicht ihn. »Es geht um das Hier und Jetzt. Ich gebe dir, soviel ich kann, und ich will dich nicht verletzen. Aber wenn du mehr verlangst, ist dies für mich die einzige Möglichkeit.«
»Die einzige Möglichkeit, die du siehst.« Er trat noch einen Schritt zurück und verbarg seinen inneren Aufruhr hinter einem eisigen Blick. »Du sagst, daß du zurückgehen wirst, daß du, obwohl dir bewußt ist, was du hier mit mir gefunden hast, obwohl dir bewußt ist, daß du mich liebst, nach New York zurückgehen und dort ohne mich glücklich weiterleben wirst.«
»Ich werde leben, wie ich leben muß, wie ich leben kann.«
»Du entziehst mir dein Herz, und das ist grausam von dir.«
»Ich bin also grausam, ja? Meinst du vielleicht, du tust mir nicht weh, indem du hier stehst und von mir verlangst, daß ich mich zwischen meiner rechten und meiner linken Hand entscheiden soll?« Mit einem Mal war ihr eiskalt, so daß sie die Arme um sich schlang. »Oh, zur Hölle mit dir, Murphy, für dich ist alles so leicht. Du brauchst nichts zu riskieren, weil du nichts zu verlieren hast. Zur Hölle mit dir«, wiederholte sie, und ihr Blick war so leuchtend und so voller Bitterkeit, daß er einer anderen zu gehören schien. »Aber du wirst ebensowenig deinen Frieden finden wie ich.«
Noch während ihr diese Worte auf der Zunge brannten, wirbelte sie herum und rannte davon. Das Summen in ihrem Ohr war ihr Zorn, dachte sie. Der Schwindel war die Empörung, und der Schmerz in ihrem Herzen mußte eine gewaltsame Mischung aus beidem sein.
Doch zugleich hatte sie das Gefühl, als liefe jemand neben ihr, der ebenso verzweifelt, ebenso unglücklich, ebenso verbittert und ebenso ohne jede Hoffnung war wie sie.
Sie floh über die Felder und blieb auch nicht stehen, als sie Briannas Garten erreichte und ihr der Hund zur Begrüßung entgegengesprungen kam. Immer noch wie gehetzt, stolperte sie an der Küchentür vorbei, aus der Brianna überrascht ihren Namen rief, und hielt erst an, als sie allein in ihrem Zimmer war und es keinen weiteren Fluchtweg mehr für sie gab.
Brianna wartete eine Stunde, ehe sie leise an die Tür ihrer Schwester zu klopfen begann. Sie erwartete, Shannon schluchzend oder mit tränennassem Gesicht schlafend auf dem Bett zu sehen, denn der kurze Blick, den sie erhascht hatte, als Shannon durch den Flur geschossen war, hatte ihr Wut und Elend gezeigt.
Als sie allerdings das Zimmer betrat, stellte sie fest, daß Shannon statt zu weinen mit einem neuen Gemälde beschäftigt war.
»Es wird bereits dunkel.« Ohne aufzublicken, fuhr Shannon mit dem Malen fort. »Ich brauche ein paar Lampen. Ich brauche Licht.«
»Natürlich. Ich bringe dir welche.« Sie trat einen Schritt vor und blickte in das Gesicht eines Menschen, der nicht traurig, sondern halb von Sinnen war.
»Shannon ...«
»Ich kann jetzt nicht reden. Ich muß malen, ich muß mich ein für alle Male von dieser Sache befreien. Ich brauche mehr Licht, Brie.«
»In Ordnung. Ich kümmere mich darum.« Lautlos trat sie wieder in den Flur hinaus und zog die Tür hinter sich ins Schloß.
Nie zuvor hatte sie die ganze Nacht gemalt. Nie zuvor hatte sie das Bedürfnis oder das Verlangen danach verspürt. Aber in dieser Nacht hatte sie es gebraucht. Es war heller Vormittag, sie als mit verkrampften Händen, brennenden Augen und leeren Gedanken innehielt. Das Tablett, das Brianna irgendwann während des Abends heraufgebracht hatte, hatte sie nicht angerührt.
Ohne das fertige Gemälde auch nur eines Blickes zu würdigen, warf sie ihre Pinsel in einen Topf Terpentin, drehte sich um und fiel in ihren Kleidern aufs Bett.
Es war beinahe Abend, als sie steif und benebelt die Augen aufschlug. Dieses Mal hatte sie keinen Traum gehabt, oder zumindest keinen, an den sie sich erinnerte. Sie hatte geschlafen, tief und erschöpft, so daß sie sich jetzt leer fühlte und ihr schwindlig
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