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Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Töchter der See
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dir.«
    Amanda atmete mühsam ein. Tausend Bilder gingen in ihrem Kopf herum – von Colin, von Tommy, von ihrem lieben Kind. Wie traurig wirkte Shannon, wie erschüttert hatte sie gewirkt, als sie nach Columbus zurückgekommen war.
    »Es ist schon wieder gut.« Amanda hätte alles getan, um die Furcht zu lindern, die sie in den Augen ihrer Tochter sah. »Natürlich bist du hier. Ich bin so froh, daß du bei mir bist.« Und es tut mir so leid, mein Liebling, so leid, daß ich dich verlassen muß. »Ich habe dir angst gemacht. Bitte entschuldige.«
    Es stimmte – die Furcht hinterließ einen metallischen Geschmack in ihrem Mund, aber Shannon schüttelte verneinend den Kopf. Inzwischen war sie die Furcht beinahe gewöhnt; sie war von ihr befallen, seit sie in ihrem New Yorker Büro ans Telefon gegangen war und erfahren hatte, daß ihre Mutter im Sterben lag. »Hast du Schmerzen?«
    »Nein, nein, es geht schon.« Amanda stieß einen erneuten Seufzer aus. Obgleich sie entsetzliche Schmerzen litt, fühlte sie sich stärker. Mußte sich stärker fühlen, um zu tun, was erforderlich war. In den wenigen Wochen, seit ihre Tochter zurückgekommen war, hatte sie das Geheimnis ebenso gehütet wie all die Jahre seit Shannons Geburt. Und nun mußte sie es lüften. Und sie hatte kaum noch Zeit. »Könnte ich bitte etwas Wasser haben, mein Schatz?«
    »Natürlich.« Shannon nahm die Thermoskaraffe vom Nachttisch, füllte einen Plastikbecher und hielt ihrer Mutter den Strohhalm hin.
    Vorsichtig hob sie das Kopfteil des Krankenhausbettes an, damit Amanda etwas bequemer saß. Das Wohnzimmer des wunderbaren Hauses in Columbus wirkte wie das Zimmer in einem privaten Pflegeheim. Es war Amandas und auch Shannons Wunsch gewesen, daß sie während der letzten Wochen nach Hause kam.
    Im Hintergrund spielte leise Musik. Das Buch, das Shannon mit hereingebracht hatte, um ihrer Mutter vorzulesen, hatte sie in ihrer Panik einfach fallen lassen, so daß es auf dem Boden lag. Sie bückte sich, um es aufzuheben, und flehte um Kraft.
    Wenn sie allein war, sagte sie sich immer, daß es ihrer Mutter täglich ein wenig besser ging, aber sie brauchte Amanda nur anzusehen, die gräuliche Haut, die tiefen Furchen, die der Schmerz hinterließ, den allmählichen Verfall, um zu wissen, daß sie sich selbst belog.
    Sie konnte nichts mehr tun, außer bei ihrer Mutter auszu harren, die die Schmerzen ohne Morphium gar nicht mehr ertrug.
    Sie brauchte eine Minute für sich, merkte Shannon, denn abermals schnürte ihr die Panik die Kehle zu. Nur eine Minute allein, dann hätte sie wieder neuen Mut. »Ich hole dir ein schönes kühles Tuch fürs Gesicht.«
    »Danke.« Auf diese Weise, dachte Amanda, als Shannon eilig das Zimmer verließ, hätte sie ein wenig Zeit, in der sie, so Gott wollte, die richtigen Worte fand.

1. Kapitel
    Amanda hatte sich seit Jahren auf diesen Augenblick vorbereitet, der sich, sosehr sie es sich auch wünschte, nicht vermeiden ließ. Was dem einen der Männer, die sie geliebt hatte, gegenüber fair und richtig war, war, wie auch immer sie es sah, dem anderen gegenüber eine Ungerechtigkeit.
    Aber jetzt ging es um keinen der beiden. Ebensowenig wie um ihre eigene Scham.
    Jetzt ging es einzig und allein um Shannon. Um Shannon, der all ihr Mitleid galt.
    Ihre schöne, brillante Tochter, die ihr nie etwas anderes als eine Freude gewesen war. Ihr ganzer Stolz. Der Schmerz der Krankheit durchfloß sie wie ein giftiger Bach, aber sie biß die Zähne zusammen, denn sie wußte, gleich empfände sie noch einen viel größeren Schmerz, verursacht durch das, was vor all den Jahren in Irland geschehen war. Von ganzem Herzen wünschte sie, sie fände einen Weg, auf dem sich das bevorstehende Leid lindern ließ.
    Sie beobachtete ihre Tochter, die mit schnellen, geschmeidigen Bewegungen, hinter denen sich eine mühsam gezügelte Energie verbarg, aus der Küche kam. Sie bewegt sich wie ihr Vater, dachte Amanda. Nicht wie Colin. Der liebe, herzensgute Colin hatte immer die schwerfällige Tapsigkeit eines übergroßen Welpen gehabt.
    Ganz anders als Tommy, der stets leichtfüßig gewesen war.
    Auch Tommys Augen hatte Shannon geerbt. Das strahlende Moosgrün, klar wie ein sonnenbeschienener See. Und das schimmernde kastanienbraune Haar war ebenfalls von ihm. Die Form ihres Gesichts, die seidige Haut und den weichen, vollen Mund allerdings hatte sie von ihr.
    Aber es war Colin gewesen, Gott hab ihn selig, von dem sie Entschlossenheit, Ehrgeiz und

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