Nora Roberts
Schattierungen.
Und
natürlich der Krimskrams, wie Seth amüsiert bemerkte. Gusseiserne Schweine,
Flöte spielende Frösche, grimmig dreinblickende Wasserspeier.
Es gab
Töpfe und Vasen, Bänder und Spitze, flache Gefäße mit Kräutern und prächtig
gedeihende Zimmerpflanzen. Das Ganze war ein clever arrangiertes Durcheinander
auf engem, aber gut genutztem Raum, und über allem schwebten die märchenhaften
Klänge von »Der Nachmittag eines Fauns«.
Sehr
nett, Mrs Whitcomb Banks, dachte Seth. Er
war bereit, in diesem Laden einiges für seine Lieben auszugeben.
Die Frau,
die durch die Tür hinter dem Ladentisch in das Geschäft trat, entsprach Seths
Vorstellung von der talentierten Witwe allerdings nicht im Geringsten.
In Gedanken
gestand er der Witwe einige Extrapunkte zu, weil sie diese äußerst attraktive
Hilfe eingestellt hatte, die einen Mann unwillkürlich an Feen und verzauberte
Prinzessinnen denken ließ.
»Kann ich
Ihnen helfen?«
»Oh ja.«
Seth trat auf den Ladentisch zu und betrachtete die junge Frau eingehend.
Sie war
schlank und wirkte sehr gepflegt. Ihr Haar war schwarz, und der kurze Schnitt
schmiegte sich um ihren wohl geformten Kopf und entblößte ihren elegant geschwungenen
Hals. Eine solche Frisur erforderte bei einer Frau verdammt viel Mut und
Selbstbewusstsein.
Ihr Gesicht
mit der zarten Haut erschien auf diese Weise wie umrahmt. Die Götter mussten
bester Laune gewesen sein, als sie es erschufen, und hatten ihm ein paar große,
mandelförmige, moosgrüne Augen geschenkt, deren Pupille von einem Ring aus
Bernsteingelb umgeben war.
Die Nase der
jungen Frau war klein und gerade und ihr Mund, passend zu den Augen, breit und
voll. Sie hatte ihn in einem dunklen, verführerischen Rose geschminkt.
Ihr Kinn
trug den Hauch eines Grübchens, als habe ihr ihr Erschaffer noch einen
leichten, anerkennenden Stups mit dem Finger versetzt.
Seth wusste
sofort, dass er dieses Gesicht malen musste, und den Rest der jungen Frau dazu.
Seth sah sie ausgestreckt auf einem Bett voller roter Rosenblätter vor sich,
die Feenaugen strahlend, die Lippen zu einem kaum merklichen Lächeln verzogen,
als sei sie gerade aus einem Traum erwacht.
Während
Seth sie ausgiebig musterte, wich das Lächeln für keinen Moment von ihren
Lippen, aber ihre dunklen Augenbrauen hoben sich. »Womit kann ich Ihnen
helfen?«
Ihre Stimme
klang fest und sanft zugleich. Die Aussprache ließ darauf schließen, dass sie
nicht aus der Gegend stammte.
»Lassen Sie uns erst einmal mit den Blumen anfangen«, erwiderte er. »Sie haben
einen ganz wundervollen Laden.«
»Vielen
Dank. Hatten Sie an etwas Bestimmtes gedacht?«
»Dazu
kommen wir gleich.« Er stützte sich auf den Ladentisch. In St. Chris war immer
genug Zeit für eine kleine Unterhaltung. »Arbeiten Sie schon lange hier?«
»Seit der
Eröffnung des Ladens. Suchen Sie vielleicht schon etwas für Muttertag? Ich habe
da einige wunderschöne ...«
»Nein, was
den Muttertag angeht, bin ich versorgt. – Sie kommen nicht von hier, nicht
wahr? Ihre Aussprache verrät sie«, fügte er erklärend hinzu, als sich ihre
Brauen erneut hoben. »Sie stammen nicht aus dieser Gegend. Weiter nördlich,
würde ich sagen.«
»Nicht
schlecht. Washington, D. C.«
»Und jetzt
zum Namen des Ladens. Knospen und Blüten. Ist das etwa ein Zitat von
Whistler?«
Ein
Ausdruck der Überraschung huschte über ihr Gesicht, und sie blickte ihn neugierig
an. »Das stimmt. Sie sind der Erste, der darauf kommt.«
»Einer
meiner Brüder kennt sich ziemlich gut mit diesen Dingen aus. Ich kann mich
allerdings nicht mehr genau an den Wortlaut erinnern. > Vollendet in Knospe
wie in Blüte < oder so ähnlich.«
»Das
Meisterwerk sollte erscheinen, wie die Blume dem Maler – vollendet in Knospe
wie in Blüte.«
»Genau, das
ist es. Wahrscheinlich ist es mir in Erinnerung geblieben, weil ich auch Maler
bin.«
»Wirklich?«
Sie ermahnte sich im Stillen, geduldig zu bleiben. Schließlich wollte sie sich
dem Rhythmus des Lebens in dieser Stadt anpassen. Die Menschen liebten es,
sich ausführlich mit Fremden zu unterhalten. Sie hatte den Mann bereits einer
Musterung unterzogen. Sein Gesicht kam ihr irgendwie bekannt vor. Seine
erstaunlich blauen Augen blickten sie offen und direkt an. Sie würde sich nicht
auf einen Flirt einlassen, um etwas zu verkaufen, aber es konnte ja nicht
schaden, freundlich zu sein.
Schließlich
hatte sie sich vorgenommen, stets freundlich zu sein, als sie nach St. Chris
kam.
In
Weitere Kostenlose Bücher