Nora Roberts
her.« Seth hockte sich hin und streckte
eine Hand aus. »Erinnerst du dich noch an mich?«
Witless
bedachte ihn mit jenem schwachsinnigen Grinsen, das ihm seinen Namen
eingebracht hatte, ließ sich dann auf den Boden plumpsen und rollte sich auf
den Rücken, um sich den Bauch kraulen zu lassen.
»Na, also.
So ist's richtig.«
In dem
weißen Haus hatte es immer einen Hund gegeben, so, wie auch immer ein Boot am
Anlegesteg vertäut gewesen war und ein Schaukelstuhl auf der Veranda gestanden
hatte.
»Oh ja, du
erinnerst dich an mich.« Während er Witless kraulte, blickte Seth zum hinteren
Ende des Gartens hinüber, wo Anna eine Hortensie auf das Grab seines eigenen
Hundes gepflanzt hatte. Der treue und geliebte Foolish.
»Ich bin's
Seth«, murmelte er. »Ich bin viel zu lange weg gewesen. «
Er vernahm
den Klang eines Motors, dann das Quietschen von Reifen, die eine Kurve einen
Tick schneller nahmen, als das Gesetz es erlaubte. Während er sich langsam
aufrichtete, sprang der Hund auf und rannte zur Auffahrt.
Seth, der
den Augenblick genießen wollte, folgte ihm langsamer.
Er lauschte auf das Zuknallen der Autotür und hörte dann, wie sich eine
weibliche Stimme hob und in einem singenden Tonfall mit dem Hund sprach.
Seth
schaute die Frau für einen Moment nur an – Anna Spinelli Quinn mit ihrer
lockigen, dunklen Haarmähne, die von der Fahrt verzaust war, die Arme voll
gepackt mit Papiertüten, die sie offenbar gerade aus dem Wagen gehoben hatte.
Sein
Grinsen vertiefte sich, als er sah, wie sie versuchte, die aufdringlichen
Zuneigungsbekundungen des Hundes abzuwehren.
»Wie oft
muss ich diese eine, simple Regel eigentlich noch wiederholen?«, fragte sie.
»Man springt Leute nicht einfach so an, ganz besonders nicht mich – und schon
mal gar nicht, wenn ich ein Kostüm trage.«
»Klasse
Kostüm!«, rief Seth. »Aber die Beine gefallen mir noch besser.«
Ihr Kopf
fuhr herum, und ihre tiefbraunen Augen, in denen sich Schock und Freude
zugleich spiegelten, weiteten sich.
»Oh mein
Gott!« Ohne auf den Inhalt zu achten, warf Anna die Tüten durch die geöffnete
Tür ins Innere des Wagens zurück und rannte los.
Er fing sie
auf, hob sie gute fünfzehn Zentimeter in die Luft und wirbelte sie einmal
herum, bevor er sie wieder auf dem Boden absetzte. Aber er ließ sie immer noch
nicht los. Stattdessen vergrub er sein Gesicht in ihrem Haar.
»Hallo,
Anna«, flüsterte er.
»Seth! Oh,
Seth!« Sie umklammerte ihn, ohne den Hund zu beachten, der winselnd an ihnen
hochsprang und versuchte, seine Schnauze zwischen sie zu schieben. »Ich kann es
einfach nicht glauben, dass du wirklich da bist.«
»Weine doch
nicht!«
»Nur ein
bisschen. Lass dich einmal ansehen.« Ihre Hände umfassten sein Gesicht, und sie
trat ein Stück zurück. Er war ein so gut aussehender Kerl. Und so erwachsen
geworden. »Sieh sich das mal einer an«, murmelte sie und strich mit der Hand
über sein Haar.
»Ich wollte
es eigentlich schon längst schneiden lassen.«
»Es gefällt
mir.« Tränen liefen über ihr lächelndes Gesicht. »Du siehst wundervoll aus,
ganz wundervoll. Wie ein richtiger Künstler.«
»Und du
bist die schönste Frau auf der ganzen Welt.«
»Ach, du
meine Güte!« Anna schniefte und schüttelte den Kopf. Dann wischte sie sich die
Tränen vom Gesicht. »Wann bist du denn angekommen? Ich dachte, du wärest in
Rom.«
»War ich
auch. Aber ich hatte Sehnsucht.«
»Warum hast
du nicht angerufen? Dann hätten wir dich vom Flughafen abgeholt.«
»Ich wollte
euch überraschen.« Seth ging auf den Wagen zu, um die Einkaufstüten
herauszuholen. »Ist Cam in der Werkstatt?«
»Müsste er
eigentlich. Warte, ich nehme das schon. Du musst doch deine Sachen
hineintragen.«
»Die hole
ich später. Wo sind Kevin und Jake?«
Sie ging
neben ihm her und warf einen Blick auf ihre Uhr, während sie überlegte, wo ihre
Söhne wohl gerade stecken mochten. »Welcher Tag ist heute? In meinem Kopf dreht
sich noch alles.«
»Donnerstag.
«
»Ach ja.
Kevin ist bei der Theaterprobe. Sie führen in der Schule ein Stück auf. Und
Jake ist beim Softball-Training. Kevin hat seinen Führerschein gemacht, Gott
steh uns bei, und holt seinen Bruder auf dem Rückweg ab.« Sie schloss die
Haustür auf. »Sie müssten in einer Stunde wieder da sein, dann ist es mit dem
Frieden im Land vorbei.«
Alles ist
noch wie früher, dachte Seth. Es spielte keine Rolle, welche Farbe die Wände
hatten, ob ein neues Sofa das alte ersetzt hatte oder eine neue
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