Nora Roberts
Lampe auf dem
Tisch stand. Es war alles noch wie früher, weil es sich wie früher anfühlte.
Der Hund
drängte sich an seinen Beinen vorbei und trottete schnurstracks in die Küche.
»Setz dich
hin.« Anna nickte zum Küchentisch hinüber, unter dem Witless sich bereits
ausgestreckt hatte und zufrieden an einem dicken Stück Seil zu kauen begann.
»Du musst mir alles erzählen. Möchtest du ein Glas Wein?«
»Klar,
nachdem ich dir dabei geholfen habe, das ganze Zeug hier wegzuräumen.« Als ihre
Augenbrauen in die Höhe wanderten, verharrte er mit der Milch in der Hand vor
der Kühlschranktür. »Was ist?«
»Ich musste
mich gerade daran erinnern, wie sämtliche Bewohner dieses Hauses – du
eingeschlossen – immer dann verschwanden, wenn es Zeit war, die Einkäufe wegzuräumen.«
»Weil du
uns immer erklärt hast, dass wir sie an die falschen Stellen räumen würden.«
»Das hast
du auch immer ganz besonders gern gemacht. Aber es war Absicht, weil du
wolltest, dass ich dich aus der Küche werfe.«
»Das
wusstest du?«
»Wenn es um
meine Jungs geht, weiß ich alles. Mir entgeht nichts, mein Freund. Ist
irgendwas in Rom vorgefallen?«
»Nein.«
Seth fuhr fort, die Tüten auszupacken. Er wusste, wo die Lebensmittel in Annas
Küche ihren Platz hatten, hatte es schon immer gewusst. »Keine Sorge, ich stecke
nicht in Schwierigkeiten, Anna.«
Aber
irgendetwas bereitet dir Kummer, dachte sie, sprach es aber nicht aus. »Ich
werde einen guten italieni schen Weißwein aufmachen. Dann trinken wir ein Gläschen
zusammen, und du erzählst mir von all den wunderbaren Dingen, die du erlebt
hast. Es kommt mir vor, als hätten wir uns schon Jahre nicht mehr
gegenübergesessen und geredet.«
Er schloss
die Kühlschranktür und drehte sich zu ihr um. »Tut mir Leid, dass ich es
Weihnachten nicht geschafft habe, nach Hause zu kommen.«
»Aber
Schätzchen, dafür hatten wir doch Verständnis. Du hattest schließlich eine
Ausstellung im Januar. Wir sind alle so stolz auf dich, Seth. Cam hat
mindestens hundert Hefte des Smithsonian gekauft, als sie damals diesen
Artikel über dich brachten: > Ein junger amerikanischer Künstler verführt
Europa < .«
Er zuckte
mit einer Schulter, was eine typische Angewohnheit der Quinns war. Anna musste
lächeln. »Also, setz dich hin.«
»Ich werde
mich gern setzen, aber es wäre mir lieber, wenn du mich erst einmal auf den
neuesten Stand bringen würdest. Wie geht es denn allen so? Wie geht es dir? Was
macht die Arbeit?«
»Na schön.«
Sie entkorkte die Flasche und holte zwei Gläser aus dem Schrank. »Ich mache im
Moment mehr Verwaltungs- als Sozialarbeit. Aber in dem Job gibt es nun einmal
viel Papierkram zu erledigen, auch wenn das nicht besonders befriedigend ist.
Aber mit meiner Arbeit und zwei Teenagern im Haus komme ich wenigstens nicht dazu,
mich zu langweilen. – Die Bootswerkstatt läuft gut.«
Sie setzte
sich und reichte Seth sein Glas. »Aubrey arbeitet jetzt dort mit.«
»Ehrlich?«
Der Gedanke an das Mädchen, das wie eine Schwester für ihn war – mehr, als es
eine Blutsverwandte je sein konnte – entlockte Seth ein Lächeln. »Wie geht es
ihr?«
»Prima. Sie
ist hübsch, klug und dickköpfig und kann laut Cam ganz wunderbar mit Holz
umgehen. Ich glaube, Grace war ein wenig enttäuscht, als Aubrey mit dem Tanzen
aufhörte, aber es ist schwer, etwas einzuwenden, wenn das Kind, das man liebt,
so glücklich ist. Und Grace und Ethans Emily sind ja in Mutters Fußstapfen
getreten.«
»Will sie
immer noch Ende August nach New York?«
»Die Chance
bei der American Ballet Company zu tanzen bekommt man nicht alle Tage. Emily
will sie beim Schopfe packen und schwört, dass sie Erste Solistin wird, bevor
sie zwanzig ist. Deke ist ganz wie sein Vater – ruhig, handwerklich begabt und
glücklich, wenn er draußen auf dem Wasser sein kann. »Möchtest du eine
Kleinigkeit essen, mein Schatz?«
»Nein.« Er
streckte seine Hand aus und legte sie auf die ihre. »Erzähl weiter.«
»Wenn du
meinst. Phillip ist der Marketing- und Werbeguru der Firma geblieben. Ich
glaube nicht, dass irgendeiner von uns – Phil eingeschlossen – jemals gedacht
hätte, dass er bei dieser Werbeagentur in Baltimore kündigen, das Leben in der
Stadt aufgeben und sich in St. Chris niederlassen würde. Aber inzwischen sind
es, lass mal nachrechnen, ja, schon vierzehn Jahre, also kann man es wohl kaum
mehr als eine Laune bezeichnen. Natürlich haben die beiden die Wohnung in New
York gehalten. Sybill
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