Noras großer Traum (German Edition)
Bett spazieren gefahren worden?« Laura sah sie gespannt an und schüttelte dann ganz langsam den Kopf. Die Schwester schob ein schmales Krankenhausbett in die Mitte des Raumes und setzte sich darauf. Sie deutete neben sich. »Na komm, probier’s auch mal.« Die Kleine kletterte ebenfalls auf das Bett und lächelte erwartungsvoll. Die Schwester hatte sich wieder erhoben und stand nun vor ihr. »Weißt du was? Wenn du dich jetzt lang ausstreckst, fahre ich dich ein wenig herum und zeige dir alles, und deine Mama kommt auch mit. Ist das ein Vorschlag?«
Lächelnd ging Mrs. McKenzie zu ihrer Tochter und stellte sich neben das Bett. »Das sollten wir uns nicht entgehen lassen, was, mein Schatz?«
Der Arzt sprach noch kurz mit der Schwester, bevor er sich zu seiner Patientin umwandte. »Also, Laura, wir sehen uns nachher auf der Station. Bis später.«
Allein in seinem Büro, war er vor dem Fenster stehen geblieben und sah hinaus. Eine Fahne flatterte im Wind, und auf einer ovalen Grünfläche bemühten sich gerade zwei Rasensprenger darum, der Sonne ein Stück Rasen abzutrotzen. Es war ein ruhiger Tag, und so konnte er es sich erlauben, einen Moment seinen Gedanken nachzuhängen. Wie immer, wenn er Kinder behandelt hatte, war er innerlich betroffen und fühlte sich an seine kurze Ehe mit Sarah erinnert.
Als sie sich in Sydney kennen gelernt hatten, war er gerade dabei gewesen, seine Facharztausbildung abzuschließen, während sie ihr Studium der Pharmazie beendete. Im Freundeskreis galten sie schnell als Traumpaar. Die langbeinige, dunkelhaarige Schönheit Sarah entstammte einer alteingesessenen und erfolgreichen Familie, die sich ebenfalls von dem jungen, aufstrebenden Mediziner angetan gezeigt hatte. Die Zukunft lag rosig vor ihnen. Vielleicht war immer alles zu glatt gelaufen, dachte jetzt Dr. Tom Morrison. Es hatte keinerlei Probleme zwischen ihnen gegeben, bis er sich beim Royal Flying Doctor Service of Australia beworben hatte. Nun schien Sarah zum ersten Mal unzufrieden. »Was willst du denn da draußen? Du könntest hier doch so viel mehr erreichen.«
Gedankenverloren kratzte Tom sich am Ohr. Er hätte schon damals erkennen müssen, wie wenig sie zueinander passten und dass sie besser nicht geheiratet hätten. Widerstrebend war Sarah ihm nach Cameron Downs ans Krankenhaus gefolgt, wo sie als Apothekerin ebenfalls eine Stelle bekam. Während er schnell Freude an seinen neuen Aufgaben, den Menschen und der Arbeitsweise des fliegenden Ärztedienstes fand und seine Liebe für das Land entdeckte, vermisste seine Frau das Stadtleben und den alten Freundeskreis. Da sie sich nicht glücklich fühlte, strahlte sie eine kühle Unnahbarkeit aus, die in niemandem den Wunsch aufkommen ließ, die Freizeit mit ihr zu verbringen. Als sie dann noch unerwartet schnell schwanger geworden war, hatte Tom sich unbändig gefreut, während sie völlig außer sich gewesen war und ihm Vorwürfe gemacht hatte, dass er sie mit einem Kind hier im Niemandsland ans Haus fesseln wollte. Auch in den darauf folgenden Monaten war es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen gekommen. Er hatte geglaubt, sie werde sich hier schon einleben, und umgekehrt hatte sie angenommen, er werde schon einsehen, wie viel besser es ihnen in Sydney gegangen war. Ihre Lebensauffassungen drifteten immer weiter auseinander, bis zu dem schrecklichen Tag, an dem sie sein Kind verloren hatte. Tom rieb sich die Schläfen, aber die Erinnerung ließ sich nicht einfach wegwischen, sie erschien glasklar vor seinem inneren Auge.
Es hatte Streit gegeben, er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, worum es gegangen war. Sie hatte sich die Autoschlüssel gegriffen und war mit dem Wagen davongebraust. Er hatte sich zunächst keine Sorgen gemacht. Es war schon öfter vorgekommen, dass sie zum Fluss hinunterfuhr, um sich nach einem Streit zu beruhigen, dort die Füße zu vertreten und einen klaren Kopf zu bekommen. Sie musste die Kurve zu scharf genommen haben, und da sie sich in ihrer Wut und Eile nicht angeschnallt hatte, war sie hinausgeschleudert worden. Der Besitzer der örtlichen Werkstatt hatte sie gefunden und sofort die Klinik angefunkt. Von dort war er benachrichtigt worden. Er erinnerte sich noch ganz genau an die Angstgefühle, die in ihm aufgestiegen waren. Seine Hände waren eiskalt und klamm gewesen, als er in seinem Wagen den Motor angemacht hatte. Er hatte eine unbändige Wut auf sich selbst verspürt, dass er es zu dieser Auseinandersetzung
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