Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
sofort durch uniformierte Polizisten abgefangen.
„Nein, Sie können hier heute nicht her“, sagte eine Beamtin mit blonden, langen Haaren. Ihre Dienstmütze hielt sie in der Hand, was vermutlich mit dem auffrischenden, sehr heftigen Wind zu tun hatte. Die Beamtin war nicht allein. Ein halbes Dutzend Kollegen hielt sich in der Nähe auf. Einem von ihnen, einem Mann in mittleren Jahren, fegte ein Windstoß gerade die Dienstmütze vom Kopf, und er konnte sie nur durch eine schnelle Bewegung noch einfangen.
Wahrscheinlich ein Hobby-Handballer, dachte George.
Zumindest ein ehemaliger! Georg Schmitz hatte in seiner Eigenschaft als Lokalreporter oft genug über Spiele heimischer Mannschaften berichtet, auch wenn er inzwischen sehr froh war, dies anderen überlassen zu können, um sich auf spektakulärere Storys zu konzentrieren. Morde beispielsweise.
„Ja, so richtig praktisch sind die Dinger nicht!“, gab ein dritter Kollege seinen Senf dazu, der gerade damit beschäftigt war, den Inhalt eines Abfallkorbes genauestens zu überprüfen.
„Vor allem, wenn man keine Hand frei hat, um die Mütze festzuhalten!“
„Besser die Mütze ist weg als der Kopf“, sagte ein anderer Polizist.
Die Beamten schienen etwas zu suchen. Jedenfalls kreisten ihre Blicke vorwiegend über den Boden. Sie sahen in Sträuchern nach und im Gestrüpp zwischen den Bäumen.
George zog seinen Presseausweis und hielt ihn der jungen Beamtin hin. „Hören Sie, ich war eben schon mal hier. So vor einer Stunde höchstens.“
„Tut mir leid, da war ich aber noch nicht hier“, erwiderte die Polizistin. Offenbar waren zusätzliche Einsatzkräfte angefordert worden, um den Kopf des Opfers zu suchen.
„Macht ja nichts“, sagte George. Er deutete auf Benecke. „Ich habe zufällig diesen Mann hier getroffen.“
„Ein Zeuge?“
„Das ist Dr. Mark Benecke, der Kriminalbiologe aus dem Fernsehen, der sich in verschiedenen Dokumentationen zu wahren Kriminalfällen äußert und natürlich auch tatsächliche Mordfälle als kriminalbiologischer Sachverständiger bearbeitet.“
Die blonde Polizistin runzelte die Stirn und sah Benecke interessiert von oben bis unten an. „Seltsam, ich habe Sie schon so oft im Fernsehen gesehen, und jetzt hätte ich Sie auf den ersten Blick gar nicht erkannt!“
„Weil Sie mich nicht erwartet haben“, sagte Benecke und lächelte sie freundlich an. „Was wir sehen, wird sehr stark von dem bestimmt, was wir erwarten zu sehen – und das passiert leider auch immer wieder bei kriminalistischen Untersuchungen.“
„Susanne Hawer, Polizeivollzugsbeamtin“, stellte sich die junge Frau vor, setzte sich die Mütze auf und reichte Benecke die Hand. „Freut mich, Sie einmal persönlich kennenzulernen.
Ich habe neulich erst während einer Bereitschaftsschicht eine Wiederholung Ihrer Dokumentation über Hitlers Schädel auf N24-TV gesehen.“ Sie nickte anerkennend und setzte dann noch hinzu: „Respekt!“
„Danke!“, sagte Benecke. „Eigentlich würde ich jetzt am liebsten …“
„Jemand wie Sie sollte auf jeder größeren Polizeistation sein!“, fuhr Susanne Hawer fort. „Dann hätten wir es ganz bestimmt einfacher! Aber wenn ich daran denke, wie lange es manchmal dauert, bis irgendwelche Ergebnisse zurückkommen, die wir zu den Labors des Landeskriminalamtes geschickt haben. Und dabei könnte man das Ergebnis eines DNA-Tests heute problemlos von einem Tag zum anderen haben!“
„Ja, die Kollegen sind natürlich ständig überlastet“, nahm Benecke das Landeskriminalamt in Schutz, dessen Mitarbeiter tatsächlich, wie er wusste, mit Anfragen überhäuft wurden.
„Umso mehr können Sie sich glücklich schätzen, dass Dr.
Benecke bereit ist, in diesem Fall einen sachkundigen Blick auf den Tatort zu werfen“, ergriff George nun wieder das Wort.
„Kommissar Jensen wird begeistert sein.“
Susanne Hawer nickte. „Ich binś auch“, gestand sie.
„Kommen Sie, ich bringe Sie zum eigentlichen Tatort.“
„Tatort oder Fundort der Leiche?“, hakte Benecke nach.
Susanne Hawer lächelte. „Genau das ist ein Punkt, zu dem Sie uns vielleicht mehr sagen können. Sie haben übrigens Glück!“
„Wieso?“
„Die Leiche wurde noch nicht abtransportiert, und so schnell wird das auch nicht geschehen.“
Benecke runzelte die Stirn. „Und wieso nicht?“
„Ganz einfach: Es hat einen schweren Unfall auf dem Zubringer nach Stralsund gegeben. Irgendein Lastwagenfahrer ist am Steuer eingeschlafen, und den
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