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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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Kristof Magnusson
    DAS WAR ICH NICHT
    Roman
    Verlag Antje Kunstmann
    Für meine Großmutter: Maria Katharina Schwark, geb. Dreiser (1915-2008)
    »It was greatness in a way, small as it was.« THEODORE DREISER, Sister Carrie
    JASPER
    »Guten Morgen, Sir. Wie geht es Ihnen?«
    »Gut«, sagte ich. Was sogar der Wahrheit entsprach. Es ging mir gut, obwohl ich die ganze Nacht mit den Kollegen durch irgendwelche Londoner Bars gezogen war. Das erzählte ich der Stewardess natürlich nicht. So genau wollte sie es nicht wissen. Dabei hätte ich eigentlich gern jemandem erzählt, was in den letzten Tagen passiert war. Hätte gern erzählt, dass ich erfolgreich eine Software-Schulung absolviert hatte und nun unser Order-Management-System Equinox komplett beherrschte. Die Schlüsselqualifikation, um bei uns im Händlersaal aufzusteigen. Hätte gern erzählt, dass nun für mich die Zeit gekommen war, um karrieretechnisch die Handbremse zu lösen.
    Die Equinox-Schulung war bis gestern Abend gegangen.
    Mein Teamleiter hatte mir einen Tag Urlaub gegeben, damit ich noch mit den Londoner Kollegen einen trinken konnte oder, wie er sich ausdrückte, »mit den Jungs ein paar Guinness kippen«. Wahrscheinlich, weil ich in den knapp zwei Jahren in seiner Unit nicht ein einziges Mal Urlaub genommen hatte. Misstraue jedem Händler, der seine Bücher nie allein lässt, sagt man. Dabei hätte ich kaum etwas Verbotenes tun können. Stand als Junior Trader viel zu weit unten in der Hierarchie. Ich nahm keinen Urlaub, weil auf der Arbeit die Zeit so schnell verging. Weil ich vergaß, daran zu denken, was mich abends erwarten würde. Oder eben nicht.
    Also >kippte< ich mit den Jungs ein paar Guinness. Sie redeten über Handys, Heimkinos und Sportwagen, denen sie das Recht auf einen komplizierten Charakter zubilligten. Im Gegensatz zu Frauen. Ich interessierte mich zwar auch für Handys und Frauen, wusste aber nicht, was ich dazu sagen sollte. Hörte eh kaum zu. Konnte an nichts anderes denken als an Equinox, wäre am liebsten jetzt schon im Händlersaal gewesen und hätte mein Wissen angewendet.
    Stattdessen saß ich in dieser Londoner Kneipe und trank viel zu kaltes Bier. Und musste mir auch noch Gerede über englischen Fußball anhören. Ich fragte die anderen, was sie davon hielten, dass Felix Magath jetzt Trainer von Schalke wurde. Alle kannten nur Bayern. Natürlich wusste ich, dass es sinnvoll war, wenn man mit den Kollegen einen trinken ging, Networking und so. War auch Arbeit, aber nicht so produktiv, dass man damit eine ganze Nacht verdaddeln sollte. Warum trank man nicht zwei Bier, hakte dabei diese Tottenhams und Arsenals, Audi TTs, Range Rovers und Kolleginnen ab, und dann gute Nacht?
    Endlich machte die Kneipe zu. Ich ging ins Hotel und hatte den Fahrstuhlknopf schon gedrückt, da fasste Vikram, der in Bombay geborene Arsenal-Fan, mich am Ärmel und zog mich in die Hotelbar, wo sie alle saßen. »Wir trinken Jägermeister, Mann«, hatte er gesagt, als könnte ich als Deutscher da nicht Nein sagen. Also trank ich. Sorgte für betretenes Schweigen, als ich sagte, dass ich kein Auto hatte. Um drei tat ich so, als müsste ich aufs Klo, ging auf mein Zimmer, kotzte, duschte, trank zwei Liter Wasser, nahm zwei Magnesiumtabletten, drei Paracetamol, eine Pantozol, packte, nahm ein Taxi nach Heathrow und stieg um 5:03 in dieses Flugzeug zurück nach Chicago.
    Die Stewardess nahm mir die Jacke ab und hängte sie auf einen Bügel, an dem sie meine Bordkarte festmachte wie eine Garderobennummer. Dann kam sie mit einem Glas Champagner. Ich musste mich zusammenreißen, damit niemand merkte, wie sehr ich mich darüber freute, in der Business-Class zu sitzen. Schließlich war dieser Flug kein Geschenk von Rutherford & Gold, sondern eine notwendige Ausgabe. Sie hielten mich jetzt für einen Leistungsträger und mussten mich gut behandeln. Schließlich konnte ich jederzeit zu Dresdner Kleinwort gehen oder zur UBS. So musste ich es sehen. Dieser breite Sessel war der Lohn für meine Fünfzehn-Stunden-Tage. Dieses Kissen aus Memory-Schaumstoff, das sich meine Kopfform merkte, das war offenbar mein Marktwert. Ich hatte gar keine Lust auf Champagner. Schon von dem Geruch wurde mir schlecht Ich stellte das Glas ab und sah aus dem Fenster. Es war noch dunkel. Blinkende Lichter, Menschen mit Ohrenschützern, die durch Schneeregen liefen. Mein Gesicht spiegelte sich in der Fensterscheibe. Ich. In der Business-Class. Dann nahm ich doch einen Schluck.
    Ab jetzt

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