Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
zurückbleiben.
Dann wandte sich Benecke der Leiche zu. Er holte Latexhandschuhe aus einer seiner Gürteltaschen und streifte sie über. Mehr brauchte er nicht an Schutzkleidung oder Zusatzausrüstung für seine Arbeit. Zumal dann nicht, wenn alles schon verspurt war.
Benecke sah sich zuerst den Stumpf des Halses an, auf dessen Schnittfläche Hunderte von Maden krochen. Als er sich über die Leiche beugte, flogen etwa zwei Dutzend Fliegen von der Leiche fort, um sich Sekunden später wieder auf dem Toten niederzulassen. Die Gerichtsmedizin würde sich mit der genauen Bestimmung der Todeszeit und der Überprüfung möglicher innerer Verletzungen beschäftigen.
Darum brauchte er sich jetzt nicht zu kümmern, das konnte er später im Bericht nachlesen.
Nachdenklich betrachtete er den Leichnam. Davon abgesehen, dass er keinen Kopf mehr besaß, schien er keinerlei äußerlich sichtbare Verletzungen zu haben.
Zumindest kam nirgendwo Blut durch die Kleidung, und es war auch nirgends eine Einschuss- oder Einstichverletzung zu sehen. Benecke machte einige weitere Aufnahmen von der Leiche.
Fotos aus verschiedenen Perspektiven gehörten zu den gängigsten Hilfsmitteln bei seiner Arbeit. Abertausende davon befanden sich auf seinem MacBook. Was darauf wichtig war, fiel ihm manchmal erst viel später auf.
Besonderes Interesse erregte natürlich der Halsstumpf. Was mochte mit dem Kopf geschehen sein? War er dem noch lebenden Mann abgeschlagen oder erst nach dem Tod abgetrennt worden?
„Hier ist praktisch kein Blut auf dem Stein“, konstatierte Benecke.
Es war eine schlichte Feststellung – aber mit weitreichenden Konsequenzen.
George und Jensen näherten sich jetzt doch etwas.
„Deswegen glauben wir auch nicht, dass er hier umgebracht wurde“, sagte Jensen.
„Haben Ihre Leute hier in der Nähe noch irgendwo Blut gefunden?“
„Nein.“
Benecke deutete auf den Halsstumpf des Toten. „Wenn es eine Säge gewesen ist, mit der der Kopf abgetrennt wurde, dann müssten hier ausgefranste Hautpartien zu sehen sein.“
„Von den Zacken?“, fragte George.
„Genau.“
„Also eine Säge scheidet aus …“
Benecke fuhr fort: „So ein Kopf ist schwerer vom Rumpf zu trennen, als man glaubt. Die Henker früher mussten sich ordentlich Mühe geben, mit ihrem Schwert den Kopf auch wirklich mit einem Schlag abzutrennen, und das ist ja auch oft genug danebengegangen. Was käme dafür noch infrage? Eine Axt zum Beispiel. Noch genauer eine rostige Axt …“ Benecke deutete auf eine bräunliche Stelle. „Ich glaube jedenfalls nicht, dass dies hier getrocknetes Blut ist. Das sieht mir nach Rost aus! Genaues kann natürlich nur das Labor sagen.“ Jensen hob die Augenbrauen.
„Also das heißt …“
„… dass man ohne den Kopf die Todesursache wohl unmöglich feststellen kann“, erklärte Benecke. „Aber wenn Sie jemanden mit einer rostigen Axt herumlaufen sehen, sollten Sie ihn genauer unter die Lupe nehmen. Ob der Mann noch lebte, als ihm der Kopf abgetrennt wurde, oder die Todesursache eine ganz andere ist, kann ich natürlich so nicht beantworten.“
„Ist der Kopf vielleicht genau deswegen abgetrennt worden, um die Todesursache zu verschleiern? Oder ist das Ganze hier eine Art perverse Zeremonie?“ Jensen zuckte mit den Schultern. „Sieht doch ein bisschen nach Letzterem aus, oder? Wie ein Opfer für die Ranengötter oder so …“ Jensen wandte sich an George. „Schreiben Sie das bitte nicht, bevor das nicht feststeht!“
„Ich weiß durchaus, was sich für Journalisten gehört“, versicherte ihm der Reporter.
Benecke ließ unterdessen den Blick schweifen.
„Er wurde hier jedenfalls so hingelegt und das vor noch nicht allzu langer Zeit“, meinte er. „Aber für die genaue zeitliche Bestimmung ist die Gerichtsmedizin zuständig“, fuhr er mit einem vielsagenden Blick auf die herumwimmelnden Fliegen und Maden fort.
Er stockte, holte eine kleine Taschenlampe hervor und leuchtete in eine Höhlung am Halsstumpf des leblosen Körpers. Dann nahm er eine Pinzette aus einer seiner Seitentaschen und zog damit etwas vorsichtig aus dem Halsgewebe hervor.
Benecke hielt einen winzigen Gegenstand ins Sonnenlicht, das zwischen den Baumwipfeln herabstrahlte.
„Wer hätte das gedacht …“, murmelte er dann.
Er ging auf die beiden wartenden Männer zu und hielt ihnen den Gegenstand entgegen.
„Ein Käfer“, stellte Jensen erstaunt fest.
„Na ja, ist ja kein Wunder! Hier im Wald kreucht und
Weitere Kostenlose Bücher