Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
Axel.
Er sah sie ängstlich an.
»Na klar, das mache ich«, antwortete sie.
Sie nahm seine Hand und ging mit ihm auf den Kindergarten zu.
»Du sollst mich früh abholen.«
Axels Unterlippe schob sich einen Zentimeter nach vorn, aber sie wusste, dass er nicht wirklich traurig war. Obwohl er noch so klein war, wusste er schon ganz genau, wie er sie weich kriegte.
»Bist du sicher? Willst du nicht lieber mit deinen Freunden im Kindergarten spielen? Du hast sie doch schon wahnsinnig lange nicht mehr gesehen.«
Unter der gerunzelten Stirn wanderten Axels Augäpfel hin und her. Offensichtlich musste er über etwas Bestimmtes nachdenken.
»Nein, du sollst mich früh abholen.«
»Gut, dann mache ich das.«
Auf dem kurzen Spaziergang wärmte die Sonne sie. Es war die letzte Augustwoche, und der September war einer der besten Monate auf Gotland, wie sie gelernt hatte. Immer noch sommerlich, sonnig und angenehm zum Baden, aber ohne Touristen. Mit etwas Glück war der Oktober nicht viel schlechter. Zwei lange Monate, die man genießen musste, bevor die Quälerei mit den Overalls und den Schneehosen anfing.
Die Schule hatte eigentlich schon am Donnerstag angefangen. Ellen hatte ein paar Tage zusätzlich freibekommen. Anders hätten sie ihre Festlandrundreise nicht geschafft und in der letzten Ferienwoche nicht vermieten können. Was, wenn sie darauf verzichtet hätten? Dann hätten sie sich diese Wahnsinnigen erspart, die bei ihnen …
Sie dachte den Gedanken nicht zu Ende. Es konnte doch nicht einfach ein Zufall gewesen sein. Unmöglich, dass nichts von alldem passiert wäre, wenn sie ihr Haus nicht vermietet hätten. Oder? In ihrem Kopf wurde es immer chaotischer.
Sie waren im Kindergarten angekommen. Malin unterhielt sich eine Weile mit Jenny, einer der Erzieherinnen, und legte einige Sachen, die sie über die Sommerferien mit nach Hause genommen hatten, zurück in Axels Fach. Regenkleidung, ein Kuscheltier und das Fotoalbum mit den Bildern von der Familie und den übrigen Verwandten. Ihren Verwandten. Henrik hatte ja keine, außer seinem Vater. Dann war es Zeit für das Winkritual vor dem Fenster. Malin hatte befürchtet, es würde langwierig und tränenreich werden, aber es lief erstaunlich gut. Diesmal bohrte sich nicht das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein, wie ein Dolch zwischen ihre Rippen.
Jetzt hatte sie sechs Stunden Zeit, bis sie ihn wieder abholen musste. Wenn man die Fahrzeit und das Mittagessen abzog, blieben ihr effektiv viereinhalb Stunden. Sie musste die Menüs dieser Woche für das Blog zusammenstellen, fürchtete jedoch, dass ihr die Konzentration dafür fehlen würde, solange sie auf die Polizei wartete.
Kurz nachdem sie nach Fårö gezogen waren, hatte Malin den Blog »Malins Essen« gestartet. In erster Linie wollte sie damit ihre Sehnsucht nach dem Café Keks bekämpfen, das sie in der Borgmästargatan in Stockholm geführt hatte. Und Kontakt zu ihren Freunden auf dem Festland halten.
Langfristig plante sie, neben der Zimmervermietung im Sommer auch ein kleines Restaurant zu betreiben. Aber das war natürlich Zukunftsmusik. Nachdem es finanziell ziemlich eng geworden war, hatte sie sich vielmehr darauf eingestellt, sich einen Job in einem Restaurant oder Café in Visby zu suchen. Aber sie war keineswegs sicher, ob es dort vakante Stellen gab. Im Vergleich zu den Sommermonaten, in denen die Leute wie verrückt ausgingen, lief das Gotländer Kneipen- und Caféleben im Winter auf Sparflamme.
Aber dann wurde ihr Blog ein Erfolg. Sie hatte im besten Fall mit hundert Lesern gerechnet, Freunden und treuen Kunden ihres Cafés, aber die Seite sprach sich herum, und schon nach wenigen Monaten wurde sie täglich von Tausenden gelesen. Als ihr Blog prämiert wurde, erhielt sie noch mehr Aufmerksamkeit, und kurz darauf riefen die Leute von Coop an und wollten sie für ihre Homepage. Sie überlegte nicht lange. Coop bot ihr mehr Geld für ein Blog übers Kochen, als sie in einem Café in Visby verdient hätte. Und sie brauchte nicht zu pendeln.
Malin warf einen letzten Blick auf den Kindergarten, um sich zu vergewissern, dass Axel nicht doch noch einmal winken wollte, aber am Fenster war niemand zu sehen. Also schloss sie den Jeep auf und wollte gerade einsteigen, als das Gefühl, beobachtet zu werden, sie innehalten ließ. Sie drehte sich um. Etwa fünfzig Meter hinter ihr stand eine hellblonde Frau und sah sie an. Oder betrachtete sie etwas anderes? Malin blickte erneut zum Kindergarten, um zu
Weitere Kostenlose Bücher