Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
bei Göran bedanken soll, weil er mir dich zur Seite gestellt hat oder ob du dich beschweren solltest, weil du jetzt auf dem Beifahrersitz darauf warten darfst, bis ich mit einem Hirnschlag in den Graben fahre«, murmelte Fredrik, während er den Rückspiegel einstellte.
Sara sah ihn fast ein wenig nachdenklich an. »Kann dir das passieren?«
Fredrik lachte. »Nein, natürlich nicht. Sonst würde ich hier nicht sitzen.«
Sara verfolgte genau, wie er den Schlüssel ins Zündschloss steckte.
»Vielleicht sollte trotzdem lieber ich fahren.«
Diesmal scherzte sie, das merkte er.
»Ist es das, was alle denken? Dass ich jeden Augenblick eine Hirnblutung oder einen epileptischen Anfall bekommen könnte?«
Mit den Händen am Lenkrad wandte er sich ihr zu.
»Da fragst du die Falsche«, sagte Sara. »Du hast von dem Hirnschlag angefangen.«
»Wohl eher Lennart.«
»Meine Güte, Lennart«, seufzte Sara.
Fredrik ließ den Motor an und fuhr rückwärts aus der Parklücke.
»Jedenfalls ist das Risiko, dass ich während der Fahrt einen Schlaganfall erleide, genauso groß wie bei dir.«
»Können wir jetzt aufhören, über Hirnblutungen zu sprechen? Ich meine, wenn du wirklich gesund bist. Oder willst du so werden wie die alten Rentner, die den ganzen Tag über ihre Krämpfe reden?«
Er sollte aufhören, darüber nachzudenken. Göran hatte wohl seine Gründe gehabt, als er beschloss, dass Sara ihn begleiten sollte. Mit etwas gutem Willen konnte man es wahrscheinlich auch unabhängig von dem Unfall als eine gute Idee ansehen. Er hatte seit zwei Jahren nicht im Außendienst gearbeitet. Vielleicht brauchte er ein wenig Anleitung.
Sara strich sich das schwarze Haar hinter die Ohren und betrachtete das Garagentor, das sich rasch öffnete. Fredrik blinzelte in den wolkenlosen Spätsommerhimmel. Diesmal machte er sich nicht nur symbolisch auf den Weg wie vor einer guten halben Stunde, sondern wirklich. Er war ein Kriminalkommissar im Dienst.
Vor zwei Jahren hätte er sich im Leben nicht vorstellen können, dass er sich jemals so über einen Routineauftrag auf Fårö freuen würde.
Er fuhr zur Straße 148, bog links ab, und sie düsten durch die flache Landschaft Richtung Norden. Wäldchen wechselten sich mit Äckern und Wiesen und vereinzelten Häusern ab, die mit ihren Verandatreppen bis an den Straßenrand drängten. Nach wenigen Kilometern holten sie einen Traktor ein, der auf seinem Anhänger hellgrüne Silagesäcke transportierte. Der Fahrer, die typischen Ohrenschützer mit Antenne auf dem Kopf, war so freundlich, sich rechts zu halten und sie vorbeizulassen.
Mit Überfahrt und Wartezeit am Fähranleger brauchten sie insgesamt anderthalb Stunden bis nach Kalbjerga auf Fårö. Für Gotland eine weite Reise. Es war nicht verwunderlich, dass Fredrik selbst, der ganz unten, im südlichen Teil der Insel, wohnte, selten dorthin kam. Ninni und er nahmen die beschwerliche Fahrt meist nur auf sich, wenn sie Besuch vom Festland hatten. Und wenn sie ihren Gästen Fårö zeigten, hatten sie ein festes Programm: Sie kauften Himbeerkuchen bei Sylvis Döttrarund badeten in Ekeviken.
Er wusste, dass eine der Töchter der Bäckerei auf dem Hof in Kalbjerga wohnte, aber er konnte sich nicht erinnern, woher. Wahrscheinlich hatte es ihm ein Kollege erzählt. Die Polizei war eine Informations- und Klatschzentrale, der nicht viel entging. Als Polizist konnte man schließlich nie wissen, was einem einmal nützlich sein würde.
Das Haus von Henrik Kjellander und Malin Andersson lag fast auf der Kuppe des Kalbjergahobben, einem kleinen Hügel, nicht viel mehr als eine leichte Steigung im Gelände. Für Gotländer Verhältnisse eine schwindelerregende Höhe.
Als Fredrik den Hof Kalbjerga einen guten Kilometer entfernt vor sich sah, bog er rechts ab. Das Haus von Kjellander und Andersson wurde zur Hälfte von einer großen Scheune mit Blechdach verborgen, kam aber, während sie sich näherten, immer mehr zum Vorschein. Das Grundstück war von grobem Maschendraht umgeben, der an rostigen Eisenpfählen aufgespannt war. Als Fredrik vor dem Tor zwei geparkte Autos erblickte, verlangsamte er das Tempo. Ein roter Mercedes-Jeep älteren Modells und ein neuer schwarzer Honda. Er fuhr an den Wegrand und parkte neben dem Honda.
Sie stiegen aus dem Wagen und überquerten den Weg, der eigentlich nur aus zwei diskreten Trampelpfaden über den Hügel bestand. Fredrik hielt Sara die Gartenpforte auf und schloss sie hinter ihr wieder. Dann gingen sie die
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