Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
Vom Netzwerk:
gebricht es den Frauen ja wirklich an Beobachtungsgabe, wie auch an Scharfsinn, Urteilskraft, Feuer, Brillanz und Witz.«
    »Miss Morland, hören Sie gar nicht auf ihn – aber seien Sie so gut und klären Sie mich über diese schrecklichen Tumulte auf.«
    »Tumulte? – wieso Tumulte?«
    »Meine liebe Eleanor, der Tumult besteht einzig in deinem Kopf. – Die Wirren dort drinnen sind skandalös. Miss Morland spricht von nichts Entsetzlicherem als einer neuen Veröffentlichung, die demnächst erscheinen wird, in drei Duodezbänden, jeder davon zweihundertsechsundsiebzig Seiten stark, der erste mit einem Frontispiz in Gestalt zweier Grabsteine und einer Laterne – verstehst du? – Sehen Sie, Miss Morland – meine dumme Schwester hat all Ihre sonnenklaren Angaben fehlgedeutet. Sie haben von den zu erwartenden Schrecknissen in London gesprochen – und anstatt auf der Stelle zu begreifen, wie jede vernunftbegabte Kreatur das täte, daß bei einer solchen Formulierung nur von einer Leihbücherei die Rede sein kann, hatte sie sofort die Vision eines dreitausendköpfigen Mobs, der sich auf den St. George Fields zusammenrottet – dazu ein Sturm auf die Bank, der Tower in Gefahr und Blutströme in Londons Straßen, so daß ein Kommando des 12. Dragonerregiments (die Hoffnung der Nation) von Northampton ausrücken muß, um die Aufständischen zurückzuschlagen, und der wackere Captain Frederick Tilney, der seinen Truppen voransprengt, durch einen Ziegelstein aus einem Fenster vom Pferd gerissen wird. Vergeben Sie ihre Dummheit. Zur Schwachheit des Weibes kommen in dem Fall die Ängste der Schwester hinzu; gemeinhin ist sie keineswegs eine solche Törin.«
    Catherine machte ein bedenkliches Gesicht. »Und nun, Henry«, sagte Miss Tilney, »nun, da du uns geholfen hast, einander zu verstehen, hilf vielleicht auch Miss Morland, dich zu verstehen – es sei denn, sie soll denken, daß du unerträglichunhöflich gegen deine Schwester bist und eine ganz abscheuliche Meinung von Frauen im allgemeinen hast. Miss Morland ist deine sonderbare Art nicht gewohnt.«
    »Es wird mir ein Vergnügen sein, sie besser damit bekannt zu machen.«
    »Zweifellos – aber das nützt uns im Moment nichts.«
    »Was soll ich also tun?«
    »Das weißt du ganz genau. Wasch dich so vor ihr rein, wie es sich gehört. Sag ihr, daß du den höchsten Respekt vor den geistigen Fähigkeiten der Frauen hast.«
    »Miss Morland, ich habe den höchsten Respekt vor den geistigen Fähigkeiten sämtlicher Frauen auf der Welt, ganz besonders aber derer – wer immer sie sein mögen –, in deren Gesellschaft ich mich jeweils befinde.«
    »Das reicht nicht. Ein bißchen mehr Ernst, bitte.«
    »Miss Morland, niemand kann größeren Respekt vor den geistigen Fähigkeiten der Frauen haben als ich. Meiner Meinung nach hat die Natur ihnen so unermeßliche Mengen davon mitgegeben, daß sie es nie für nötig erachten, auch nur die Hälfte davon einzusetzen.«
    »Wir werden vorerst nichts Brauchbareres aus ihm herausbringen, Miss Morland. Er ist in einer zu unernsten Stimmung. Aber ich versichere Ihnen, es hieße ihn gänzlich falsch verstehen, wollte man ihm deshalb auch nur ein ungerechtes Wort gegen irgendeine Frau zutrauen – oder eine Unfreundlichkeit gegen mich.«
    Es fiel Catherine nicht schwer zu glauben, daß Henry Tilney nie unrecht haben könne. Seine Art mochte zuweilen erstaunen, aber sein Urteil konnte nicht fehlgehen: – und was sie davon nicht verstand, bewunderte sie fast ebenso bereitwillig wie das, was sie verstand. Der ganze Spaziergang war wunderbar, und obwohl er zu früh endete, so war sein Abschluß doch auch wunderbar, denn ihre Freunde begleiteten sie bis in ihr Haus, und ehe sie sich verabschiedeten, bat Miss Tilney, respektvoll halb an sie, halb an Mrs. Allen gewandt,um das Vergnügen, Catherine übermorgen zum Essen empfangen zu dürfen. Mrs. Allen machte keinerlei Schwierigkeiten – und für Catherine bestand die einzige Schwierigkeit darin, das Übermaß ihrer Freude zu bemänteln.
    Der Tag war bisher so überaus angenehm vergangen, daß all ihre Freundschaft und Geschwisterliebe dahinter zurücktrat; denn während des ganzen Spaziergangs hatte nicht ein Gedanke an Isabella oder James sie gestreift. Als die Tilneys fort waren, erwachten diese Gefühle wieder, konnten jedoch vorerst nichts ausrichten: Mrs. Allen vermochte ihr nichts mitzuteilen, was zu ihrer Beruhigung beitrug; sie hatte von keinem von ihnen etwas gehört. Gegen Ende des

Weitere Kostenlose Bücher