Northanger Abbey
und ihre Emotionen angesichts der Enthüllung erschöpften sich in den besten Wünschen für das junge Paar, ergänzt um eine Bemerkung des Gentlemans über die Schönheit Isabellas und eine Bemerkung der Dame über ihr außerordentliches Glück. Catherine erschien dies eine Dickfelligkeit ganz unfaßlichen Ausmaßes. Die Eröffnung freilich, daß James sich gestern in aller Heimlichkeit nach Fullerton aufgemacht hatte, ließ Mrs. Allen schon weniger gleichgültig. Diese Kunde konnte sie nicht unerschüttert vernehmen; nein, ein ums andere Mal beklagte sie die Notwendigkeit der Geheimhaltung, wünschte, sie hätte von seiner Absicht gewußt, wünschte, sie hätte ihn sprechen können, bevor er ging, denn dann hätte sie ihm sicherlich die herzlichsten Grüße an seine Eltern aufgetragen, und dazu beste Empfehlungen an Familie Skinner.
ZWEITES BUCH
I. KAPITEL
Catherine hatte an ihren Besuch in der Milsom Street so hohe Erwartungen geknüpft, daß die Enttäuschung nicht ausbleiben konnte, und obwohl sie von General Tilney mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen und von seiner Tochter herzlich willkommen geheißen wurde, obwohl Henry daheim und sonst niemand mit von der Partie war, empfand sie beim Nachhausekommen, ohne nun stundenlang in ihrer Seele forschen zu müssen, daß das Glück, das sie sich von dieser Verabredung versprochen hatte, nicht eingetroffen war. Statt sich Miss Tilney durch die gemeinsame Zeit näher zu fühlen, schien sie ihr eher fremder als vorher; statt Henry Tilney hier, in der Ungezwungenheit des Familienkreises, charmanter zu erleben denn je, hatte sie ihn noch nie so wortkarg oder so unliebenswürdig gefunden; und trotz der vielen Artigkeiten ihres Vaters, trotz aller Dankesbekundungen, Einladungen und Komplimente, war es eine Erlösung gewesen, von ihm wegzugelangen. Sie wußte keine Erklärung dafür. An General Tilney konnte es nicht liegen. Daß er durch und durch angenehm und freundlich und überdies ein ganz reizender Mann war, stand außer Frage, denn er war hochgewachsen und gutaussehend und Henrys Vater. Seine Schuld war es gewiß nicht, wenn es seinen Kindern an der rechten Munterkeit fehlte und ihr selbst an der rechten Freude an seiner Gesellschaft. Ersteres, so hoffte sie schließlich, war einfach ein Zufall gewesen, und das Zweite konnte sie nur ihrer eigenen Dummheit anlasten. Isabella hatte eine andere Antwort parat, als sie Näheres über den Besuch hörte. Es seialles Dünkelhaftigkeit, unerträgliche Dünkelhaftigkeit und Arroganz! Sie habe die Familie schon lange im Verdacht, sehr hochmütig zu sein, und dies sei nun der Beweis. Ein so unverschämtes Benehmen wie das von Miss Tilney sei ihr in ihrem ganzen Leben nicht untergekommen! Ihre Gastgeberpflichten so grob zu vernachlässigen! – Sich dermaßen hochnäsig gegen ihre Besucherin zu betragen! – Sie kaum eines Wortes zu würdigen!
»Aber so schlimm war es nicht, Isabella; von Hochnäsigkeit kann keine Rede sein, sie war sehr höflich.«
»Ach, nun verteidige sie nicht auch noch! Und dann der Bruder, er, der soviel für dich zu empfinden schien! Herr im Himmel! – gut, die Gefühle von manchen Leuten sind einfach nicht zu begreifen. Und er hat dich tatsächlich die ganze Zeit über mit keinem Blick angesehen?«
»Das habe ich nicht gesagt; aber er schien nicht sonderlich gut gelaunt.«
»Wie verachtenswert! Wenn mir etwas verhaßt ist, dann Unbeständigkeit. Du mußt mir versprechen, daß du keinen Gedanken mehr an ihn verschwendest, meine liebste Catherine; er ist deiner ganz und gar unwürdig.«
»Meiner unwürdig! Ich kann mir nicht vorstellen, daß er auch nur an mich denkt.«
»Genau das sage ich doch, er denkt nicht an dich. – Dieser Wankelmut! Oh, welch ein Gegensatz zu deinem Bruder und meinem! Ich glaube ernstlich, John ist treu wie Gold.«
»Aber General Tilney – wirklich, niemand hätte höflicher und aufmerksamer gegen mich sein können; er schien keine andere Sorge zu haben, als daß ich mich gut unterhalte und mich wohlfühle.«
»Gut, von ihm weiß ich nichts Schlechtes – bei ihm befürchte ich keine Arroganz. Soweit ich weiß, ist er ein sehr feiner Mensch. John hält große Stücke auf ihn, und Johns Urteil …«
»Ich muß einfach abwarten, wie sie heute abend zu mir sind; wir werden sie ja beim Ball sehen.«
»Muß ich denn wirklich mit hin?«
»Ja, willst du denn nicht? Ich dachte, es wäre alles fest abgemacht.«
»Nun, da du so darauf bestehst, kann ich es dir wohl
Weitere Kostenlose Bücher