Northanger Abbey
mußte; und ein so modischer junger Bursche, wie er ist, waren auch immerfort alle Blicke auf uns gerichtet.«
»Er ist sehr gutaussehend, das stimmt.«
»Gutaussehend! – Ja, wenn du meinst … doch, es gibt sicher einige, die das fänden, aber mein Geschmack ist er ganz und gar nicht. Für mich sind ein blühender Teint und dunkle Augen etwas Grauenhaftes bei einem Mann. Trotzdem,unattraktiv ist er nicht. Aber unglaublich eingebildet, habe ich das Gefühl. Ich habe ihn mehrere Male zusammenstutzen müssen, auf meine spezielle Art, du weißt schon.«
Als die jungen Damen das nächste Mal zusammenkamen, hatten sie ein noch viel spannenderes Gesprächsthema. James Morlands zweiter Brief war da, in dem er die freundlichen Absichten seines Vaters erläuterte. Eine Pfründe mit einem jährlichen Ertrag von etwa vierhundert Pfund, deren Inhaber und Patronatsherr Mr. Morland war, sollte an seinen Sohn abgetreten werden, sobald dieser alt genug war, sie zu übernehmen; keine geringe Beschneidung des Familieneinkommens, keine kleinliche Zuwendung an eines von zehn Kindern. Ein Stück Land von mindestens ebenso großem Wert wurde ihm darüber hinaus als künftiges Erbteil zugesichert.
James äußerte sich denn auch gebührend dankbar; die Einschränkung, daß sie mit dem Heiraten zwei, drei Jahre würden warten müssen, so leidig sie war, traf ihn nicht unvorbereitet, und so nahm er sie ohne Murren hin. Catherine, deren Erwartungen ähnlich unklar gewesen waren wie ihre Vorstellung davon, was ihr Vater besaß, und deren Urteil sich darum ganz auf das ihres Bruders stützte, war es nicht minder zufrieden und beglückwünschte Isabella herzlich dazu, daß nun alles so trefflich geregelt war.
»O ja, es ist wunderbar«, sagte Isabella mit umwölkter Miene. – »Mr. Morland verhält sich wirklich ganz ungeheuer großzügig«, ergänzte die sanfte Mrs. Thorpe und spähte beschwörend zu ihrer Tochter hinüber. »Ich wünschte nur, ich könnte es auch. Mehr hätte man beim besten Willen nicht von ihm erwarten können. Wenn er mit der Zeit merkt, daß er noch etwas dazulegen kann, tut er es gewiß, denn ich bin sicher, er ist ein äußerst gutherziger Mensch. Vierhundert sind recht wenig für den Anfang, das muß ich sagen, aber deine Ansprüche, meine liebe Isabella, sind ja so bescheiden, daß du keinen Gedanken daran verschwenden wirst, ob dir etwas fehlt, Liebes.«
»Es ist bestimmt nicht meinetwegen, daß ich mir mehr gewünscht hätte: aber zu denken, daß ich der Grund dafür bin, daß mein lieber Morland darben und sich mit einem Einkommen niederlassen muß, mit dem sich kaum das Lebensnotwendigste bestreiten läßt … für mich allein wäre es mir völlig gleichgültig; ich denke nie an mich.«
»Das weiß ich, Liebes, und das werden dir alle auch immer durch ihre Zuneigung danken. Es gibt keine zweite junge Frau, die so rundum beliebt ist wie du, und ich bin überzeugt, wenn Mr. Morland dich erst kennenlernt, mein liebes Kind … aber beunruhigen wir unsere liebe Catherine nicht, indem wir von solchen Dingen sprechen. Mr. Morland hat sich wirklich außerordentlich anständig verhalten. Ich habe immer gehört, daß er ein ganz wunderbarer Mensch ist; und wir dürfen auch nicht denken, mein Liebes, daß er vielleicht mehr gegeben hätte, wenn nur deine Mitgift etwas stattlicher wäre, denn ich bin mir sicher, er ist ein sehr freigebiger Mann.«
»Niemand kann eine höhere Meinung von Mr. Morland haben als ich. Aber jeder Mensch hat eben seine Schwächen, genauso wie jeder das Recht hat, mit seinem Geld zu machen, was er will.« Catherine war verletzt von diesen Andeutungen. »Ich kann mir nicht vorstellen«, sagte sie, »daß mein Vater weniger versprochen hat, als er sich leisten kann.«
Isabella besann sich wieder. »Daran würde auch nie jemand zweifeln, süßeste Catherine, und du kennst mich, mir würde auch ein viel kleineres Einkommen völlig ausreichen. Nein, nicht die Geldnot ist es, was mir gerade etwas aufs Gemüt schlägt, ich hasse Geld, und wenn wir jetzt sofort mit nur fünfzig Pfund im Jahr heiraten dürften, wäre ich schon wunschlos glücklich. Ach! meine Catherine, du durchschaust mich, wie immer. Du weißt, was mich quält. Diese langen, langen, endlosen zweieinhalb Jahre, die vergehen müssen, bis dein Bruder die Stelle antreten kann.«
»Ja, ja, du gute, beste Isabella«, sagte Mrs. Thorpe, »wirsehen dir mitten ins Herz. Du kannst dich nicht verstellen. Wir verstehen genau, wie dir jetzt
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