Nosferas
lediglich seine - nun sagen wir, Ratgeberin.«
Conte Claudio verneigte sich so tief, wie es seine Körperfülle zuließ. Sein Gewand schimmerte im Schein der Kerzen rubinrot. Als er sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick auf den Mann, der gerade den Saal betrat. Er war groß gewachsen und wirkte athletisch, sein dunkelbraunes Haar war nach der herrschenden Mode gekämmt, seine Kleider elegant geschnitten und aus teuerstem Stoff.
»Ah, wenn man vom Teufel spricht! Da seid Ihr ja, Baron Maximilian.« Er drückte auch noch den beiden grobschlächtigen Brüdern Lucien und Thibaut vom Pariser Clan der Pyras die Hand und begrüßte den stattlichen Lord* Milton aus London.
»Nun, findet unser Treffpunkt die Zustimmung der werten Herren und Damen?«, fragte der Brite und sah in die Runde.
Dame Elina trat zu ihm und ließ es zu, dass er sich mit der Andeutung eines Kusses über ihre Hand beugte. »Abgelegen und neutral, wie wahr, und fast überirdisch schön, wie für uns erbaut«, sagte sie mit einem Anflug von Spott. »Ich habe bereits die Folterkammer besucht, um den Blick über das Wasser zu genießen. Und wenn ich die Ritzereien in der Kerkerwand richtig entziffert habe, dann hat auch Lord Byron zu seinen Lebzeiten diesen Ausblick bewundert.«
Lord Milton nickte. »Oh ja, sein Gedicht Der Gefangene von Chillon ist sehr gelungen.«
»Ich hoffe, er befindet sich wohl?«, erkundigte sich Dame Elina höflich. »Ich hatte ja noch nicht das Vergnügen, aber man hört Gerüchte …«
Der große Brite schmunzelte. »Ja, er ist nun seit mehr als fünfzig Jahren ein geschätztes Mitglied unserer Gemeinschaft.«
Dame Elinas graue Augen blitzten. »Ich habe von seinem Tod gehört. Schwäche und zu viel Aderlass, heißt es.«
Lord Milton zeigte seine kräftigen weißen Zähne. »Ja, man könnte sagen, der Blutverlust hat unserem großen Dichter das Leben geraubt.«
Sie wandten sich den beiden letzten Ankömmlingen zu. Conte Claudio begrüßte bereits den drahtigen, älteren Mann im irischen Kilt. »Donnchadh, ich grüße Euch. Wie stehen die Dinge auf der grünen Insel?«
Die Männer reichten einander die Hände, doch statt seinem Gegenüber in die Augen zu sehen, starrte der dicke Römer auf die Frau, die ein Stück hinter dem irischen Clanführer stehen geblieben war.
Sie war wunderschön, mit reiner weißer Haut. Dichte rötliche Locken wallten über ihre Schultern. Ihr seidiges Gewand umschmeichelte ihre schlanke Gestalt. Sie erwiderte seinen Blick aus dunkelgrünen Augen, schwieg jedoch und reichte ihm auch nicht die Hand.
In ihrem menschlichen Leben konnte sie die Zwanzig nicht überschritten haben. Wann dieses Leben allerdings gewesen war und wann es geendet hatte, das konnten weder Dame Elina noch Conte Claudio sagen. Nun war sie jedenfalls kein Mensch mehr, sondern ein Vampir, wie alle anderen auch, die sich heute Nacht hier auf Schloss Chillon versammelt hatten. Und doch gab es Unterschiede. Bedeutende Unterschiede!
»Sie ist ein Schatten!«, stotterte Conte Claudio und zeigte mit dem Finger auf sie. Auch die anderen Vampire wurden nun auf die Frau aufmerksam und starrten sie unverhohlen an.
»Schickt sie raus«, knurrte Baron Maximilian. »Wir werden solch wichtige Dinge doch nicht vor den Ohren einer Unreinen besprechen. Was denkt Ihr Euch eigentlich, Donnchadh? Habt Ihr nicht gesehen, dass wir alle unsere Diener in der Halle zurückgelassen haben?«
Der Ire drehte sich zu der jungen Frau um. Für einen Moment sahen sie sich stumm an, dann senkte sie die langen, dunklen Wimpern.
»Ich erwarte Euch unten«, sagte sie mit erstaunlich tiefer Stimme, nickte ihm einmal zu und verließ dann geräuschlos den Raum. Die Tür schloss mit einem leisen Klicken.
Dame Elina zog einen Sessel zurück und ließ sich auf das Lederpolster sinken. »Es sind alle da. Wollen wir anfangen?« Sie sah in die Runde. Die anderen folgten ihrem Beispiel und ließen sich um den schweren ovalen Eichentisch nieder. Für eine Weile herrschte Stille. Abschätzende Blicke wanderten durch den Raum, kreuzten sich und streiften über die Anwesenden. Die Anspannung war fast greifbar.
Dame Elina von den Vamalia begann, sie offiziell einander vorzustellen. Sie nickte dem stattlichen blonden Vampir mit den kantigen Zügen an ihrer Seite zu. »Lord Milton vom Clan der Vyrad.« Er erhob sich halb und deutete eine Verbeugung an. Dame Elina wandte sich an die beiden Vampire zu seiner Rechten.
»Seigneurs* Lucien und Thibaut de Pyras.« Die
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