Notaufnahme
Wochen Kollegenkontaktsperre. Ein Benimmtraining folgt.«
Im Hintergrund hörte ich Miss Mailand kichern.
»Vielleicht solltest du ihm bei diesem Kurs Gesellschaft leisten, Mike.«
»Sehr witzig. Also, kümmerst du dich darum, eine Aufstellung aller bei Gemma Dogen eingegangenen Anrufe anzufordern?«
»Ja, mach’ ich. Laura hat am Freitag bei der Grand Jury die Beweismittelbeschaffung beantragt. Damit bekommen wir auch die Telefoninformationen. Wenn du mir die Daten und Uhrzeiten der betreffenden Anrufe gibst, kümmere ich mich gleich morgen Früh darum.«
Wenn es uns gelang, Datum und Uhrzeit der Drohanrufe so eng wie möglich einzugrenzen, konnten wir möglicherweise den Apparat des Anrufers ausfindig machen. Diese Prozedur kostete die Telefongesellschaften eine Menge Geld – um die fünfhundert Dollar für eine Liste mit Anrufen aus einem Zeitraum von drei Tagen –, und deshalb wurde die Beschaffung dieses Beweismittels in den meisten Fällen gar nicht zugelassen. Aber in einem Fall wie diesem galten andere Regeln.
»Aber wir bekommen frühestens in einer Woche eine Antwort, stimmt’s?«
»Ja, das ist das Problem. Aber besser spät als nie.«
»Also, ich mach’ mich jetzt auf den Weg nach Queens. Ich melde mich später wieder.«
Ich legte auf und ging in mein Arbeitszimmer. Der Schreibtisch war mit Unterlagen übersät, und nach einigem Suchen fand ich die Mappe, die mit Gemma Dogens Namen versehen war. Ich setzte mich, um zu notieren, was ich soeben über ihre Anzeige vom vergangenen Monat erfahren hatte.
Dabei fielen mir wieder einmal die Fotos vom Tatort in die Hände. Entsetzt betrachtete ich die grausame Szene. Ich griff nach dem Vergrößerungsglas und nahm einmal mehr Gemma Dogens massakrierten Körper in Augenschein, um vielleicht doch noch irgendwelche verborgenen Hinweise zu entdecken.
Dann klappte ich den Notizblock auf und setzte auf das erste Blatt das Wort › Blut‹, gefolgt von einem Fragezeichen. Hatte sie versucht, ein Zeichen zu malen, das einen Hinweis auf ihren Mörder geben sollte? War es ein Buchstabe, mit dem ein Wort oder ein Name begann? Am Rand des Blattes listete ich alle Buchstaben des Alphabets auf, die möglicherweise hätten herauskommen können, wenn sie die Kraft gehabt hätte, das Zeichen zu vollenden. Ich nahm mir vor, am nächsten Tag die Vergrößerung mit nach Hause zu nehmen und zu prüfen, welcher Buchstabe mit dem Schnörkel auf dem Teppich gemeint sein konnte.
Welche Dämonen mögen diese begnadete Ärztin wohl verfolgt haben, fragte ich mich, während ich das Foto betrachtete. Was hatte den Mörder ihre Aktenordner – und nicht ihr Portemonnaie – durchsuchen lassen?
Ich verbrachte fast den ganzen Nachmittag am Schreibtisch. Um fünf rief Drew aus dem Büro an – auch er arbeitete an diesem Sonntag. »Ich weiß nicht, wie produktiv dein Tag war – meiner war jedenfalls für die Katz’. Ich konnte an nichts anderes als an gestern Abend denken. Hast du Lust, mit mir zu Abend zu essen? Danach muss ich hier zwar weitermachen, aber ich würde dich trotzdem gerne sehen.«
»Einverstanden.«
»Sag mir ein Restaurant in deiner Nähe – einfach, aber gut. Ich bin in Jeans.«
»Butterfield 81, gleich bei der Third. Riesige Steaks, tolle Salate.«
»Perfekt. Ich reserviere einen Tisch. Sagen wir, um sieben?«
Ich gab Zac Futter, führte sie Gassi und lief dann zu Fuß die zehn Blocks zum Restaurants. Drew erwartete mich bereits, und noch während ich mich setzte, legte er die Speisekarte zur Seite, um zärtlich meine Hände zu küssen.
Wir bestellten, aßen, tranken nach dem Essen noch einen Kaffee, und dabei unterhielten wir uns ohne Pause.
»Morgen Abend fliege ich rüber an die Westküste. Kannst du nicht nächstes Wochenende nachkommen? Wir nehmen uns ein schönes Hotelzimmer mit Blick über die Bucht und …«
» Nichts lieber als das, Drew, aber bei dem Stand der Ermittlungen ist das vollkommen ausgeschlossen. Wenn die Polizei nächstes Wochenende immer noch nicht weiter ist als jetzt, sind immer noch Vernehmungen angesagt. Und wenn’s bis dahin einen Durchbruch gibt, dann lastet die volle Verantwortung ohnehin auf mir. Im Augenblick kann ich wirklich nicht weg.«
»Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als meine Verhandlungen so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen und bald wieder zurückzufliegen.«
» Komm, wir rufen ein Taxi, und ich setz’ dich zu Hause ab. Oder soll ich mit hochkommen?«
»Ich muss morgen früh raus.«
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