Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Swartz
Vom Netzwerk:
Schiff aus Europa in Amerika gelandet sein müssen.
    Vom Hafen aus nimmt das wiedervereinigte Paar ein Taxi, von dessen Rücksitz aus der Mann auf Gebäude, Brücken und andere Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigt, einige von ihnen sieht er selbst zum ersten Mal, was die Frau aus den sehr vagen Angaben ihres Ehemanns hätte schließen können, aber da sich ihre eigenen Kenntnisse über diese Stadt auf die Broschüre beschränken, die kurz vor der Landung ausgeteilt worden ist, stört es sie nicht, dass die Auskünfte ihres Mannes sowohl die Geschichte wie die Topografie New Yorks bis zur Unkenntlichkeit verändern.
    Das leichte Muskelzucken um sein linkes Auge herum und die Narbe darüber erklärt der Mann mit einem ebenso unbestimmten Hinweis auf einen kleineren Unfall am Arbeitsplatz. Damit gibt sich die Frau zufrieden. Dass vier Zähne im Mund des Mannes fehlen, hat dem Mann zufolge mit dem anstrengenden Klima in Manhattan zu tun, das mitten im Sommer ein schweres Nervenfieber mit diesem bedauerlichen Ausgang hervorgerufen hätte.
    Du Armer, sagt seine Frau.
    Die Frau lehnt sich aus dem offenen Fenster des Taxis, der Fahrtwind bläst ihr die Haare über Stirn und Gesicht. New York hatte sie sich als eine gigantische, in die Höhe strebende und in jeder Hinsicht andersartige Stadt vorgestellt, aber was ihr der Mann so schlampig gezeigt hat, übertrifft all ihre Erwartungen. Auf eine solche Stadt war sie nicht gefasst, und zu Hause angekommen, am Riverside Drive im oberen Manhattan, inspiziert sie, was bisher die zwei Zimmer mit Küche ihres Mannes waren.
    Hinfort werden sie diese teilen.
    So hatte sich die Frau eine amerikanische Wohnung nicht vorgestellt. Sofort beginnt sie, die Möbel umzustellen, Staub zu wischen und den Boden zu fegen, während der Mann sich auf einen Stuhl setzt und ihr zuschaut.
    So hatte er sich ihre Ankunft in Amerika nicht vorgestellt. Schweigend beobachtet der Mann die Frau, und dieses Schweigen enthält eine widerwillige Bewunderung ihrer Handlungskraft, aber auch Zorn darüber, dass sie sozusagen seinen täglichen Besen vom Warenlager hier nach Hause zum Riverside Drive geholt hat, sowie eine Vorahnung davon, dass ihr amerikanisches Leben nicht viel anders sein würde, als ihr schwedisches es schon gewesen war.
    Eins der Zimmer will seine Frau für sich selbst mit Beschlag belegen, ein Entschluss, von dem der Mann argwöhnt, dass er ebenso viel mit ihm zu tun hat wie mit den Umständen, von denen sie hier überrascht wurde. Das andere und größere überlässt sie dem Mann, und würde in Zukunft die Tür zwischen ihnen geschlossen, etwas, was der Mann nicht auszuschließen wagt, während er weiterhin schweigend ihr geschäftiges Treiben betrachtet, wird er nicht mehr zwischen diesen beiden Zimmern hin und her gehen können, an die er sich im letzten halben Jahr gewöhnt hat. Der Mann würde nicht mehr in dem einen Zimmer eine Zigarette anzünden können, um sie in dem anderen fertig zu rauchen, würde nicht länger in seiner Wohnung herumgehen können, als wäre sie ein europäischer Park und er selbst ohne irgendeine Beschäftigung oder Aufgabe.
    Dieses Heim, denkt der Mann, wird in Zukunft nicht viel gemütlicher sein als sein sogenanntes Büro.
    Er erhebt sich von dem Stuhl. Zur Frau sagt der Mann, er wolle gern allein einen Spaziergang machen, und bevor er geht, legt er die Tageszeitung auf den Küchentisch.
    Geh du nur, sagt sie.
    Im Lift denkt der Mann an den Chinesen, an die Unlust, die sich in letzter Zeit vom Warenlager sogar bis in sein sogenanntes Büro verbreitet hat, und dass eine ähnliche Verstimmung von diesem Tag an droht, sich auch seiner Wohnung zu bemächtigen.
    Unten auf der Straße ist alles wie gewöhnlich. Niemand befindet sich am Hamburgerstand. Nicht die geringste Spur dieser Frau, die seit über einem Monat wie vom Erdboden verschluckt scheint.
    Zurück vom Spaziergang findet der Mann die Zeitung, anscheinend ungelesen, immer noch auf dem Küchentisch. Stattdessen greift er mit der Frau das Hühnerpastetenprojekt auf, mit dem Hinweis auf alle möglichen Nahrungsmittel, die hier in Amerika auf der Straße verkauft werden. Ein Vermögen wartet um die Ecke.
    So ist dieses Land, sagt der Mann. Alles ist möglich.
    Seinen Vorschlag fasst die Frau jedoch als ein seltsames und totgeborenes Hirngespinst auf, nicht unähnlich den möglichen Essensresten im Vorratsschrank. Sie will nicht ausschließen, dass ein solcher Vorschlag mit dem Nervenfieber zu tun hat, das den

Weitere Kostenlose Bücher